100 Jahre Verband der Gemeindeschreiberinnen und Gemeindeschreiber

Grusswort der Stadt zum 100 Jahre Jubiläum des Verbandes der Gemeindeschreiberinnen und Gemeindeschreiber vom 31.03.2023 im Kantonsratssaal

Ich freue mich sehr, Sie im Namen von 38’166 Stadtschaffhauserinnen und Stadtschaffhauser im ehemaligen Rathaus unserer Stadt willkommen zu heissen und Ihnen die besten Grüsse des Stadtrats zu überbringen.
Es ist eine grosse Ehre für uns, dass Sie unsere wunderbare Stadt als Tagungsort für Ihre Jubiläums GV gewählt haben.
Ganz herzliche Gratulation zum 100. Geburtstag.
Es ist wichtig, dass dieses Jubiläum in würdigem Rahmen begangen wird, denn der Verband der Gemeindeschreiberinnen und Gemeindeschreiber erfüllt ganz wichtige Funktionen.
Er ist nicht nur eine Interessenvertretung eines Berufsstandes, sondern er widmet sich auch der Weiterbildung und Vernetzung sowie einer möglichst einheitlichen Amtsführung der Schreiberinnen und Schreiber.
Damit leisten Sie einen bedeutenden Beitrag an das Funktionieren unseres föderalen Staatswesens.
Die Schreiberinnen und Schreiber überleben ja in der Regel die politischen Vorgesetzten, die von Legislatur zu Legislatur wechseln und zum Teil stark vom Support der Schreiberinnen und Schreiber abhängig sind.
Darum spricht man bei diesen ja auch gerne von den 6. Gemeinde-, Stadt- oder Regierungsräten.
Denn sie verfügen über das Know How und die Erfahrung, die Verwaltung am Laufen zu halten.
Sie sind Manager, Mediatoren und Rechtsberater in einem.
Die Anforderungen an sie sind also sehr hoch und es fällt vermutlich wesentlich negativer ins Gewicht, wenn eine Gemeinde eine schlechte Schreiberin oder einen schlechten Schreiber hat, als schwache Exekutivpolitiker.
Wenn wir die Anforderungen an die Schreiberinnen und Schreiber anschauen, waren diese schon immer hoch, haben sich mit der Zeit aber natürlich gewandelt und werden sich weiter wandeln.
Aufgrund des Öffentlichkeitsprinzips und der neusten Rechtsprechung des Obergerichts dazu müssen sie sich z.B. aktuell mit der Herausforderung beschäftigen, wie sie künftig Gemeinderats- und Stadtratsprotokolle abfassen, damit diese einerseits den Anforderungen des Gemeindegesetzes genügen und andererseits nicht das Kollegialitätsprinzip belasten, weil sie an Medien und Politiker herausgegeben werden müssen, die damit Kampagnen befeuern wollen… Ein fast unlösbarer Spagat.
Ich möchte zu den Anforderungen an das Schreiberamt einen Blick in die Vergangenheit werfen.
Hierfür zitiere ich gerne aus einer Dissertation von 1962 von Dr. Elisabeth Breiter, einer Schaffhauser Juristin, die über das Amt des Stadtschreibers und seiner Träger von den Anfängen bis zum Ende des Stadtstaates 1798 doktoriert hat.Darin wird auf die Voraussetzungen für die Besetzung des Stadtschreiberamtes eingegangen, über die wir heute z.T. schmunzeln müssen.Die Autorin hält z.B. fest, dass die eheliche Geburt eine wesentliche Rolle spielte. Unehelichkeit war ein absolutes NoGo, zumal die ersten Stadtschreiber noch Kleriker waren.
Aber auch die Zugehörigkeit zu einem Stand war wichtig: Ab 1457 durften in der Stadt keine Fremden mehr in das Amt gewählt werden.
Je mehr sich im Laufe der Zeit das Gewicht vom Schreiber auf den Staatsmann verschob, umso vornehmer waren Stand und Familie, aus denen sich die Stadtschreiber rekrutierten.
Als eine weitere Voraussetzung zur Wahl als Schreiber wurde damals festgehalten: «Das Fehlen auffallender und entstellender körperlicher Fehler resp. das Freisein von körperlichen Mängeln und das Vorhandensein eine grosse Widerstandskraft».
Stadtschreiber haben also eine gute Fitness mitbringen müssen.
Das sei u.a. darin begründet gewesen, dass ihnen das Amt viele Ritte und Reisen, oft über erstaunliche Distanzen, auferlegt habe.
Zu den Fähigkeiten, die verlangt worden sind, gehörten neben der selbstverständlichen Schreibkunst natürlich Sprachkenntnisse, vor allem das Beherrschen des Lateins.
Auch wenn sich ab dem 13. Jahrhundert mehr und mehr die deutsche Sprache für Urkunden durchgesetzt hat, blieb das Latein weiterhin Bedingung.
An Stil und Ausdrucksweise in deutscher Sprache sind hohe Anforderungen gestellt worden.
Das zeigt sich u.a. in der Schreiberordnung von 1627, die «gegen Schwulst und Unklarheiten in der sprachlichen Ausdrucksweise ankämpfte».
Im Rahmen des Rekrutierungsprozesses für das Amt hat in dieser Zeit jeder Bewerber jeweils ein französisches und lateinisches Schreiben ablesen und interpretieren müssen. Zudem hat er zur Probe drei Tage lang Protokoll führen und verlesen müssen.
Ein Stadtschreiber musste zudem vermögend sein.  Sein Vermögen hatte eine dreifache Funktion: Erstens diente es der Sicherheitsleistung, zweitens war es Gradmesser für das öffentliche Ansehen und drittens sollte es Gewähr für Unabhängigkeit und getreue Amtsführung bieten. Deshalb waren die Stadtschreiber in Schaffhausen seit Mitte des 15. Jahrhunderts i.d.R. ausgesprochen begütert und haben den angesehensten und reichsten Familien angehört.
Und zu guter Letzt hat auch die religiöse Einstellung eine wichtige Rolle gespielt: Nach der Reformation von 1529 hat kein Andersgläubiger mehr das Amt bekleiden können.
Soviel zu den Anforderungen an die Schreiber bis zum Ende des Stadtstaates. Frauen durften dieses Amt damals natürlich sowieso nicht bekleiden.
In diesem Zusammenhang freut es mich darum besonders, dass es mir 2018, also 933 Jahre nach der Stadtgründung, vergönnt gewesen ist, dieses Amt erstmals mit einer Frau zu besetzen.
Das gilt übrigens noch für zwei weitere historische Ämter unserer Stadt: 2017 haben wir die erste Stadtweibelin und die erste Munotwächterin eingesetzt.
Und die heutige Stadtschreiberin Yvonne Waldvogel, welche auch Ihrem Verband angehört, ist bereits die zweite Frau in diesem Amt.
Sie haben es gemerkt, dass ich wieder zurück in der Gegenwart angekommen bin und damit zum Schluss meiner Ausführungen komme: Der Verband der Schreiberinnen und -schreiber ist eine wichtige Stimme in unserem Kanton, die gehört wird, insbes. wenn es um die Weiterentwicklung der Strukturen und Prozesse der öffentlichen Hand geht. Und das muss so bleiben.
Darum überbringe ich Ihnen allen, nicht nur im Namen des Stadtrats, sondern auch im Namen des Gemeindepräsidentenverbandes – dessen Präsident Roger Paillard Sie alle herzlich grüssen lässt – einen grossen Dank für Ihren tagtäglichen Einsatz im Dienste unserer Gemeinwesen.
Dem Vorstand danke ich für sein wertvolles ehrenamtliches Engagement und dem aktuellen Präsidenten Luc Schelker gratuliere ich zu seinem persönlichen Jubiläum und seinen langjährigen Einsatz für den Verband.
Happy Birthday und nur das Beste für die Zukunft des Verbands und Ihnen allen.