Wirtschaftsförderung neu justieren

Ich bedanke mich bei Regierungsrat Ernst Landolt, Departementssekretär Daniel Sattler sowie dem Wirtschaftsförderer Christoph Schärrer für die Begleitung der Kommission und Luzian Kohlberg für das gute Protokoll.
Die Kommissionsberatungen waren konstruktiv und effizient. Das hängt auch mit der guten Leitung durch den Kommissionspräsidenten Peter Scheck zusammen, der heute die wichtigsten Punkte in seinem Votum treffend zusammengefasst hat.
Sie alle kennen den Kommissionsbericht. Ich werde darum nicht mehr ins Detail gehen. Wir sind für Eintreten auf die Vorlage und Zustimmung zu den Anträgen der Kommission.
Die SP-/Juso-Fraktion erachtet die mit der Revision anvisierte Flexibilisierung der einzelbetrieblichen Förderinstrumente als sinnvoll und zielführend.
Sie steht im Einklang mit der Profilschärfung der Wirtschaftsförderung, welche im neu entwickelten Handlungskompass der Anwendungsregion – vor allem in der Schnittstelle zwischen Industrie und Digitalisierung – zum Ausdruck kommt.
Angesichts der fortschreitenden Digitalisierung und Globalisierung braucht es eine Stärkung der Innovationskraft und eine Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit.
Neue Instrumente oder zumindest eine Flexibilisierung der bisherigen Tools sind angezeigt.
Start Ups oder Förderinstitute haben andere Bedürfnisse und Ausgangslagen als klassische Industrieunternehmen oder KMUs.
Die alleinige Anknüpfung der EBF an die Anzahl Arbeitsplätze beim geförderten Unternehmen reicht deshalb nicht mehr.
Es geht neu auch um Innovation sowie Wissens- und Know How-Transfer.
Die unterstützenswürdigen Subjekte werden zu Recht erweitert auf Institutionen und Programme.
Und es wird geklärt, dass Fördermittel nicht in klassische Staatsausgaben fliessen dürfen.
Der Regierungsrat mit seiner Vorlage und die Kommission mit ihren Anpassungen haben das entsprechend berücksichtigt und in die Ihnen vorliegenden Ergänzungen des bestehenden Art. 5 einfliessen lassen.
Sinnvollerweise wird die Gelegenheit genutzt, den 2019 auslaufenden Rahmen für die Verpflichtungskredite für EBF über Fr. 20 Mio. für die Periode 2020 – 2029 zu erneuern. Die einzelnen Tranchen werden dann über den Budgetweg durch den Kantonsrat freigegeben.
Nicht einverstanden sind wir mit den Bestrebungen einzelner Kantonsräte, im Zuge der Revision des Wifö-Gesetzes die bisherige Auslegung der Verfassung zum Gesetzesreferendum zu ändern und damit für den Rahmen der Verpflichtungskredite der EBF für die nächsten 10 Jahre ein obligatorisches Referendum zu verlangen.
Bei der Verfassungsrevision, der die Stimmberechtigten 2002 zugestimmt haben, ging man davon aus, dass nicht bei jeder Gesetzesrevision, die zu Ausgaben führt, welche die Ausgabenschwelle für ein Finanzreferendum überschreiten kann, ein obligatorisches Referendum nötig ist.
Massgebliches Kriterium für das Referendum soll das Quorum der Zustimmung im Rat sein.
Departementssekretär Daniel Sattler hat den Kommissionsmitgliedern dazu die wichtigsten Materialien, auf welche die bisherige Auslegung beruht, zukommen lassen. Leider werden die Erkenntnisse daraus im Kommissionsbericht sehr verkürzt dargestellt. Es war eben nicht bloss die Wortmeldung eines Kantonsrats in der massgeblichen Debatte zur Verfassungsrevision, auf die sich die bisherige Auslegung abstützt.
Wie dem auch sei: Die Revision des Wifö-Gesetzes sollte nicht mit einem solchen Nebenkriegsschauplatz belastet werden.
Treten Sie auf die Vorlage ein und stimmen Sie den Anträgen der Kommission zu, dann kommt das gut.

JA zum Zusatzkredit für den Werkhof SH POWER

Der Werkhof von SH POWER befindet sich heute auf dem Gaswerkareal am «Lindli». Die Werkhofinfrastruktur muss dringend erneuert werden. Aus wirtschaftlichen und siedlungsplanerischen Überlegungen ist dies an der attraktiven Wohnlage am Rhein nicht sinnvoll. In der Volksabstimmung vom 5. Juni 2016 haben die Stimmberechtigten einen Kredit in der Höhe von 17.82 Mio. Franken für den Neubau des Werkhofs SH POWER im Schweizersbild mit einem Ja-Stimmen-Anteil von 76.9 Prozent genehmigt. Als sich im Rahmen der Detailplanung für den Neubau zeigte, dass sich gegenüber dem bewilligten Kredit deutliche Mehrkosten ergeben, wurden noch vor Baubeginn eine Klärung der Mehrkosten und die Überarbeitung des Projekts in Auftrag gegeben.

Im nun vorliegenden überarbeiteten Projekt können dank einer Trennung des Gebäudes in zwei Nutzungseinheiten (Büro und Werkhalle) sowie aufgrund von Optimierungen in der Umgebungsgestaltung weitreichende Kosteneinsparungen erzielt werden. Gleichzeitig bleiben Zweck und Funktionalität des Werkhofs gewahrt und es finden dieselben ca. 100 Arbeitsplätze von SH POWER Platz wie im ursprünglichen Projekt. Das Bürogebäude wird im Minergie-Standard erstellt und die Materialwahl erfolgt nach den bauökologischen Richtlinien der Stadt. Eine vollständige Kompensation der Mehrkosten innerhalb des bewilligten Kredits war nicht möglich. Jedoch konnten die Mehrkosten deutlich reduziert werden auf 1.8 Mio. Franken (davon 0.38 Mio. Franken gebundene Kosten). Der nötige Zusatzkredit von 1.42 Mio. Franken wird freiwillig der Volksabstimmung unterbreitet. 

Die Realisierung des Projekts ist für den Betrieb von SH POWER von hoher Bedeutung. Für die Mitarbeitenden sind die Arbeitsbedingungen im Gaswerkareal am «Lindli» bereits heute kaum mehr zumutbar. Sie müssen deshalb dringend verbessert werden, was in der jetzigen räumlichen Umgebung schwierig und teuer wäre. Eine Ablehnung des Zusatzkredits hätte zur Folge, dass von Grund auf ein neues Projekt erarbeitet werden müsste, was hohe Planungskosten und einen erheblichen Zeitbedarf von mehreren Jahren zur Folge hätte. In der Zwischenzeit wären Investitionen am Standort «Lindli» notwendig, die wegen des antizipierten Umzugs in einen neuen Werkhof im Schweizersbild in den vergangenen Jahren aufgeschoben wurden. Zudem würde sich die Abgabe des Gaswerkareals am «Lindli» im Baurecht für eine Wohnraumnutzung, wie sie die Stimmberechtigten der Stadt am 5. Juni 2016 beschlossen haben, deutlich verzögern. 

Der Stadtrat empfiehlt den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern deshalb, der Vorlage für den Zusatzkredit zuzustimmen.

Im Namen des Stadtrates 
Peter Neukomm, Stadtpräsident
Dr. Katrin Bernath, Baureferentin

Auch die Stadt profitiert vom Naturpark

Der Grosse Stadtrat hat im Dezember 2016 den Vertrag zum Regionalen Naturpark klar genehmigt. Deshalb gehört die Stadt seit dem Start im 2018 zusammen mit 14 weiteren Gemeinden dem Verein Regionaler Naturpark Schaffhausen an. Damals standen vor allem die auf städtischem Gebiet befindlichen Teile des Randens im Fokus. Mit der im Februar 2016 vom Stadtparlament diskussionslos beschlossenen Perimetererweiterung des Naturparks auf die Flächen Buchthalens, inklusive den herausragenden Reblagen entlang des Rheins sowie auf das Herblingertal liegen nun grosse Gebiete der Stadt innerhalb des Parkperimeters. Damit profitiert die städtische Bevölkerung direkt von vielen erfolgreichen Projekten des Naturparks in den Bereichen Land-und Forstwirtschaft, Tourismus, Naturschutz, Bildung und Kultur. Diese bringen auch dem städtischen Gewerbe Vorteile, indem es zum Beispiel teilhaben kann an einer professionellen Vermarktung seiner Produkte mit dem Label des Regionalen Naturparks oder bei der Bildung der Dachmarke «Schaffhauser Regioprodukte» (Falken Brauerei, GVS-Weine etc.). Dies hilft auch mit, Arbeitsplätze in der Stadt zu schaffen und zu erhalten.

Jetzt braucht der jährliche kantonale Beitrag an den Naturparks noch eine gesetzliche Grundlage, das Parkgesetz. Es ist Ausdruck einer solidarischen Finanzierung durch alle drei Staatsebenen und damit die Basis dafür, dass in den nächsten Jahren der ganze Kanton von vielen attraktiven Projekten des Regionalen Naturparks profitieren kann. Ein Ja zum Parkgesetz ist also ein Ja für alle, für Stadt und Landschaft.

Verbesserung Aufsicht und Leitung SH POWER brauchen keinen zusätzlichen Auftrag

Mit Datum vom 19. Februar 2019 hat Grossstadtrat Till Hardmeier ein Postulat eingereicht, welches fordert zu prüfen, ob die Organisationsverordnung der Städtischen Werke zu überarbeiten sei. Ziel solle eine grössere Transparenz, eine Eskalationsmöglichkeit bei Problemen und wo nötig eine allgemeine Aktualiserung sein. 

Das Postulat fordert damit die Prüfung der Überarbeitung der Organisationsverordnung im Allgemeinen und identifiziert dabei primär zwei Problemkreise als Anlass für seine Forderung:1. Der Konflikt zwischen Geheimhaltungspflicht und Konsultation der Fraktionen durch die Vertreter des GSR in der VK und damit verbundendie Notwendigkeit einer mehrstufigen Vertraulichkeits-Klassifizierung von Traktanden und Dokumenten2. Das Fehlen einer Eskalationsmöglichkeit der VK-Mitglieder.

Der Stadtrat begrüsst die Möglichkeit, die beiden Fragen zu thematisieren und die heute bestehenden Regelungen und Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen. 

Vorab ist festzuhalten, dass die heutige Rechtslage den Mitgliedern der Verwaltungskommission die nötigen Möglichkeiten bietet, ihre Verantwortung wahrzunehmen, weshalb der Stadtrat die negative Einschätzung des Postulenten nicht teilt.Zuerst zu einem Missverständnis, das immer wieder zu Diskussionen führt: Bei der VK der Städtischen Werke handelt es sich nicht um eine parlamentarische Kommission, sondern um ein strategisches Führungsorgan für den städtischen Betrieb SH POWER, in welches der Grosse Stadtrat parlamentarische Mitglieder delegiert (Art. 26 lit. c Stadtverfassung). Das ergibt sich aus der Stadtverfassung: Die Regelung der parlamentarischen Kommission finden sich im Kapitel «Grosser Stadtrat» in Art. 34 ff. SV. Die VK hingegen wird separat im Kapitel «Verwaltung» in Art. 53 und 54 SV abgehandelt. Art. 53 Abs. 3 SV besagt, dass die Leitung der Städtischen Werke des vom Stadtrat bezeichneten Stadtratsmitglieds (Werkreferent) und der VK untersteht. Aus dieser Rolle, die mit einem Verwaltungsrat in einer privatrechtlichen AG zu vergleichen ist, ergeben sich für die VK-Mitglieder zwangsläufig Verschwiegenheitsthemen.

Zum ersten Punkt:
Bei den parlamentarischen Mitgliedern können sich daraus Rollenkonflikteergeben, weil sie zwei Hüte tragen. Denn als Mitglied der VK obliegt ihm eine gesetzliche Sorgfalts und Treuepflicht, die in Art. 15 der Organisationsverordnung umschrieben ist: «Die Mitglieder der Verwaltungskommission erfüllen ihre Aufgabe mit aller Sorgfalt und wahren die Interessen der StWS in guten Treuen.» Wer sich von Ihnen in die VK wählen lässt, muss damit umgehen können. Wenn er es nicht kann, ist er am falschen Ort. 

Der Gesetzgeber verpflichtet die Mitglieder der VK in Art. 16 der Organisationsverordnung für die Werke Schaffhausen zur Verschwiegenheit. Im Grundsatz sind die Verhandlungen daher vertraulich. Die VK kann diese generelle Vertraulichkeit konkretisieren und Ausnahmen beschliessen. Zur Zeitwerden alle Dokumente, welche die Geschäftsleitung von SH POWER der VK abgibt, gekennzeichnet, ob sie vertraulich zu behandeln sind. Das wird so auch im Organisationsreglement geregelt. Zudem wird in der VK künftig bei jedem Geschäft als stehendes Traktandum besprochen, was in den Fraktionen besprochen werden darf. Das soll den Grossstadtratsmitgliedern in der VK mehr Sicherheit geben, kann aber ihren Rollenkonflikt nicht immer lösen. Damit müssen sie leben, solange die aktuellen gesetzlichen Regelungen in Kraft sind. 

Fazit: Das Thema Verschwiegenheitspflicht der VK-Mitglieder ist in der übergeordneten Gesetzgebung geregelt und wird im Organisationsreglement durch die VK konkretisiert. Es besteht dazu kein zusätzlicher Gesetzgebungsbedarf. Ein gewisses Potenzial an Rollenkonflikten besteht,solange Mitglieder des Grossen Stadtrats in der VK Einsitz nehmen. 

Zum zweiten Punkt des Postulats, der fehlenden Eskalationsmöglichkeit:
Für ein oberstes Führungsgremium besteht immer die Herausforderung, dass Entscheide nicht eskaliert, d.h. an ein übergeordnetes Organ weitergezogen werden können. Das Gemium selbst steht hier konsequent in der Verantwortung. 

Das gilt auch für Exekutivgremien in der Politik in denen meistens über Kompromisse gemeinsam Lösungen zu finden sind, hinter denen möglichst alle Mitglieder stehen können. In Einzelfällen kann es zu Mehrheitsentscheiden kommen. 

Weil die VK keine parlamentarische Kommission ist und ihr im Rahmen der Führung von SH POWER auch Exekutivfunktionen zukommen, gibt es für die VK keine übergeordneten Gremien, an welche einzelne Mitglieder der VK im Zusammenhang mit der Erfüllung ihrer Funktion eskalieren könnten. 

Die nächsthöhere Ebene ist im Rahmen der parlamentarischen Aufsicht der Grosse Stadtrat. Er hat keine direkte  Aufsichtsfunktion, jedoch steht ihm gemäss Verfassung die so genannte Oberaufsicht über den Stadtrat und die gesamte Verwaltung zu (Art. 24 Abs. 1 Stadtverfassung). Damit hat er auch die Oberaufsicht über die Städtischen Werke und ihre Organe. Die Oberaufsicht wird mit den üblichen parlamentarischen Kontrollinstrumenten ausgeübt (Prüfung und Abnahme der Geschäftsberichte, parlamentarische Vorstössesowie bei gravierenden Vorfällen Einsetzung einer PUK). Sie umfasst aber nicht die Befugnis, in die operativen Geschäfte der ihrer Oberaufsicht unterstellten Organe einzugreifen und beispielsweise Einzelakte aufzuheben oder bindende Weisungen über die Rechtsanwendung zu geben.

Wichtig sind angesichts der hohen Eigenverantwortung der VK klare Entscheidprozesse und Ausstandsregelungen. Ob die heutigen Prozesse ausreichen, um optimale Rahmenbedingungen dafür zu bieten, dass die VK zu gemeinsamen, konstruktiven Entscheiden finden kann, wird imZusammenhang mit der Überprüfung der Organisationsverordnungangeschaut. Dieser Prozess ist am Laufen. 

Mit dem am 7. Juni 2016 erheblich erklärten Postulat Schlatter besteht ja bereits ein Auftrag zur generellen Prüfung der gesetzlichen Grundlagender Führung und Aufsicht über SH POWER. Auch bei diesem Postulat ist explizit als Ziel formuliert, die Strukturen für die Führung und Aufsicht derWerke zu verbessern. Es braucht für die allgemeine Überprüfung der Organisationsverordnung also keinen zweiten parlamentarischen Auftrag. Die VK nimmt den am 7 Juni 2016 erteilten Auftrag ernst, ist an der Arbeit und hat einen konkreten Fahrplan: Gestützt auf die neue Eignerstrategie wird zur Zeitein Organisationsreglement erstellt. Dieses regelt – gestützt auf die Organisationsverordnung – den Bereich, den die VK in eigener Kompetenz bestimmen kann. Das Ziel ist, das Reglement auf nächstes Jahr hin zu bereinigen. Themen, die im Hinblick auf Verbesserungen angeschaut werden, sind z.B.:
– Funktionendiagramm und Anforderungsprofil für VK-Mitglieder
– Führungskalender- Kompetenzen- und Unterschriftenregelungen
– Zusammensetzung Audit Committee und Personalausschuss
– Verhältnis VK zu Präsidium
– Kollegialitätsprinzip in der VK
– Geheimhaltungspflichten.

An den Sitzungen vom 6. Juni und vom 3. Juli 2019 hat sich die VK mit dem Organisationsreglement intensiv befasst. Gemeinsam mit einem externen Spezialisten für Fragen der Corporate Governance wurde das Reglement überarbeitet.  

Als zweiten Schritt wird die VK im Hinblick auf die neue Legislatur die Organisationsverordnung überarbeiten, damit dann ab 2021 mit neuen Strukturen gestartet werden kann. Die zu regelnden Bereiche sind bereits bezeichnet und die Revision ist aufgegleist. Unser Rechtsberater wird nächstens einen Entwurf vorlegen, den die VK diskutieren kann.

Der Auftrag, die Organisationsverordnung generell anzuschauen und zu überarbeiten, hat dieser Rat bereits einmal beschlossen und dieser Auftrag steht bereits in der Umsetzung.

Wir gehen davon aus, dass die VK in der ersten Hälfte 2020 einen Vorschlag für die Revision der Organisationsverordnung mit verbesserter Governance vorlegen kann. Ich bitte Sie, sich bis dahin zu gedulden. 

Wie Sie sehen, ist das Postulat also nicht mehr nötig. Der Stadtrat ersucht deshalb den Postulenten, es in eine Interpellation umzuwandeln. Falls er sich damit nicht einverstanden erklären kann, ersuchen wir den Grossen Stadtrat, das Postulat nicht zu überweisen. 

Von den versteckten Kindern

Die Autorin Nicoletta Bortolotti mit ihrem Buch „Chiamami sottovoce“.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Anna-Maria CiminiSehr geehrte Damen und Herren, cari amici della lingua italiana

Ich danke Anna-Maria Cimini ganz herzlich für die Einladung zur heutigen Buchvernissage und freue mich sehr, Ihnen das Grusswort des Schaffhauser Stadtrates überbringen zu dürfen. Ich bitte Sie um Verständnis, dass ich Sie kurz nach 18.00 Uhr wieder verlassen muss, denn ich habe noch einen weiteren Auftritt heute Abend, den ich vor dieser Buchvernissage zugesagt hatte. Mir war es aber wichtig, heute auch bei Ihnen zu sein. Warum?

Das Thema des heutigen Abends ist ja eigentlich kein fröhliches.
In den 60er- und 70er-Jahren, als die grosse Migrationswelle aus Italien und Spanien die Schweiz erreichte, erhielten die Gastarbeiter jeweils eine Aufenthaltsbewilligung als Saisonniers. Auch wenn ich damals noch ein Kinder resp. Jugendlicher war, kann ich mich noch gut erinnern, weil sich mein Vater als Gewerkschaftssekretär in den 60-er Jahren für die Anliegen und Interessen der Saisoniers eingesetzt und als Politiker für die Abschaffung des unrühmlichen Statuts gekämpft hat.
Diese Bewilligung war in einem Zeitraum von 9 Monaten gültig.
Während den Wintermonaten mussten die Männer wieder in ihre Heimat zurückkehren.
Es war ihnen gesetzlich verwehrt, die eigene Familie mit in die Schweiz zu nehmen.
Der «Familiennachzug» wurde erst später eingeführt.
Wenn dann auch die Frau eine Stelle in der Schweiz finden konnte, blieben die Kinder oft zurück bei der Nonna im Heimatland oder aber sie kamen mit in die Schweiz und mussten zu Hause versteckt werden.
Es wird davon ausgegangen, dass damals 10’000 – 15’000 Kinder als sogenannte «versteckte Kinder» in der Schweiz aufwachsen mussten.
Und somit gibt es auch 10‘000 – 15‘000 zum Teil erschütternde Schicksale und Geschichten, die erzählt werden könnten.

Ich erachte es als sehr wichtig, dass solche Geschichten erzählt werden, damit die Schicksale dieser Kinder und Familien nicht in Vergessenheit geraten, auch im Hinblick auf unseren heutigen und künftigen Umgang mit Migranten. Wir haben hier eine humanitäre Verantwortung, die gerade in Zeiten des politischen Erstarkens von nationalistischen und rassistischen Bewegungen – auch in Europa – besonders wichtig ist.
Marina Frigerio war eine der ersten Schriftstellerinnen, die das Thema aufgegriffen hat.
Sie wird heute Abend mit Nicoletta Bortolotti, der Autorin des Buches «Chiamami sottovoce» das Gespräch führen.
Im Buch wird die Geschichte eines versteckten Jungen im Tessin erzählt.

Leider reichen meine Italienischkenntnisse nicht aus, dass ich das vorliegende Buch lesen könnte.
Auch deshalb wünsche ich mir, dass das Buch ein Erfolg wird und ich dann bald die deutsche Übersetzung in den Händen halten kann.

Bevor ich das Wort weiter an Marina Frigerio gebe möchte ich Sie alle noch darauf hinweisen, dass unsere Stadtbibliothek auch eine italienische Bibliothek ist:

Wir haben in der Freihandbibliothek Agnesenschütte eine feine kleine und aktuelle Belletristik-Selektion auf italienisch, derzeit  etwa 150 Romane. Und dazu, ganz wichtig, etwa 100 Kinder- und Jugendbücher.
Insgesamt befinden sich im Fundus unserer Bibliothek gegen 1’500 italienische Bücher. Das älteste davon eine Commedia von Dante, entstanden 1529 in Venedig. Unser Bereichsleiter Bibliotheken hat keinen Aufwand gescheut und einen kleinen Teil dieses italienischen Fundus im Eingangsbereich der Bibliothek für Sie ausgestellt.

Nun wünsche ich Ihnen einen spannenden Abend und übergebe gerne an Marina Frigerio.