26.05.2025

485 Jahre Wirtschaftstradition

Es ist mir eine grosse Freude, Sie heute hier im städtischen Restaurant „Altes Schütezenhaus“ im Namen des SR und 39´051 Schaffhauserinnen und Schaffhausern willkommen zu heissen.
Sie kommen zu einem guten Zeitpunkt: Unsere Stadt ist ambitioniert und erfolgreich unterwegs.
Wir investieren in den nächsten drei Jahren ca. 500 Mio. Franken in die öffentliche Infrastruktur, womit wir auch für wichtige Aufträge für das lokale und regionale Gewerbe sorgen.

Unsere Stadt ist durch ihre reiche Geschichte der Gastfreundschaft geprägt.
Bereits im Mittelalter, als Schaffhausen ein wichtiger Knotenpunkt für Händler und Reisende entlang des Rheins war, hat sich hier eine lebendige Wirtshauskultur entwickelt. Das gilt auch für das «alte Schützenhaus».
Ihr Präsident hat gewünscht, dass ich heute dazu etwas erzähle.
Das mache ich natürlich gerne.  
Kaum eine Gaststätte unserer Stadt kann auf eine derart lange Tradition zurückblicken: Im Jahr 1537 ist an dieser Stelle ein erstes, einfaches Schützenhaus errichtet worden.
Es hat aus einem zweistöckigen Hauptgebäude mit Büchserwerkstatt und Magazinräumen im Erdgeschoss und einem grossen Gesellschaftssaal im Obergeschoss  sowie den vorgelagerten hölzernen Schiessständen bestanden.
Die um 1443 gegründete städtische Handbüchsenschützengesellschaft hatte endlich eine zu jener Zeit geradezu ideal gelegene Übungsstätte erhalten.
Schon 1540 hat der Stadtrat denn Schützen für ihr Haus das Tavernenrecht verliehen, womit die nun bald 485 Jahre währende Wirtschaftstradition an diesem Ort eingeleitet worden ist.
Aus der ausserhalb der Stadttore, am Transportweg von der Schifflände zum Rheinfall gelegenen Schenke hat sich sehr bald eine Stätte ausgedehnten, munteren Zechens entwickelt, so dass sich die Behörden - namentlich während der ersten hundert Jahren - mehr als einmal veranlasst gesehen haben, wegen «überhandnehmenden Ausschweifungen» ihren Mahnfinger zu erheben und eindringlich daran zu erinnern, dass das Schützenhaus «nicht bloss zum Bechern", sondern auch zum Schiessen» errichtet worden sei.
Es ging dem Rat nicht zuletzt auch darum, die Bewohnerinnen und Bewohner des Sondersiechenhauses auf der Steig vor «allerhand Ungepür» zu schützen.
Denn auf der Breite ist es immer mal wieder hoch her und zu gegangen.
So hat sich die 2 – 3 Tage dauernde «Schützenchilbi», welche jeweils im August ausgelassen gefeiert worden ist, zu einem eigentlichen Volksfest entwickelt.
Im Zuge der Pestausbrüche und des Dreissigjähren Krieges im 17. Jhdt. Ist sie für einige Zeit verboten worden, aber nach 1648 wieder aufgelebt. Sie ist hier bis gegen die Wende des 19 Jhdt. zelebriert worden.

1685 hat der Rat beschlossen, die baufällige Liegenschaft durch einen Neubau zu ersetzen.
So ist das stattliche und repräsentative Gebäude mit seinem reizvollen Glockentürmchen, dem polygonalen Treppenturm und dem grossen Festsaal im ersten Stock entstanden, gemäss Protokollen des Rats ein Bauwerk mit dem sich die Stadt eine schwere finanzielle Bürde aufgeladen hatte.
Im Erdgeschloss sind die Wehr- und Rüstkammern untergebracht gewesen, später zeitweise auch eine Polizeiwache, während sich das Prunkstück des Hauses, der Festsaal mit seinen 25 stuckierten Wappenreliefs von ehemaligen Schützenmeistern, im ersten Stock befunden hat.

Nach dem eidg. Schützenfest 1865 ist der Schiessstand östlich vom Schützenhaus auf den heutigen Bühl-Fussballplätzen neu erbaut worden.
Aber bereits 26 Jahre später, ist der Schiessbetrieb auf der Breite aufgrund der grösseren Durchschlagskraft des neu eingeführten Infanteriegewehrs Modell 1889 definitiv zu gefährlich und darum 1891 aufgehoben worden.
Nach Versuchen im Eschheimertal und auf dem Griesbach ist er 1895 ins Birch verlegt worden.  

Gewirtet hat man im Schützenhaus bis 1925 ausschliesslich im ersten Stock und im Sommer im Garten.
Erst mit der grossen Innenrenovation Anfang der 1920-er Jahre sind die Wirtschaftsräume ins Parterre verschoben worden.
In Folge dieser Sanierung wurde 1922 das Schlagwerk der Uhr auf den Munotturm gezügelt. 

Eine weitere, umfassende Renovation ist 1950 erfolgt.
Nur wenige Jahre später, am 27. November 1957, hat ein Grossbrand deren Ergebnisse weitgehend zunichte gemacht.
Die beiden oberen Stockwerke sind vollständig zerstört worden.
Viele Trophäen, Fotos und Erinnerungen aus dem Stammlokal der Schützengesellschaft sind Opfer der Flammen geworden.
Das Gebäude ist in seiner ursprünglichen Form mit neuem Anbau einer Gartenhalle auf der Südwestseite 1957/58 wieder errichtet worden.

1986 hat Walter Reutimann als Pächter das Haus von der Stadt übernommen.
2000 hat sein Sohn Roland seine Nachfolge angetreten.
2012 ist ein neuer Fussboden im Restaurant verlegt und die kranke Linde im Garten gefällt worden.
2019 ist der grosse Küchenumbau erfolgt.
2022 ist der Anschluss an den Wärmeverbund erfolgt, der die Gas-Heizung ersetzt hat und letztes Jahr sind die Sanitäranlagen umgebaut, ein Wintergarten erstellt und der kleine Saal saniert worden.

Es ist nicht selbstverständlich, dass sich die Stadt dieses Lokal noch leistet: In den Jahren 2009 – 2016, als es der Stadt einmal finanziell nicht gut gegangen ist, ist im Rahmen eines Sparprogramms der Verkauf der städtischen Restaurationsbetriebe – Altes Schützenhaus, Alter Emmersberg, Pavillon im Park und Weinstube im Kleinen Käfig – zur Diskussion gestellt worden.
In einer überparteilichen Einigkeit ist der Grosse Stadtrat aber übereingekommen, von einem solchen Verkauf Abstand zu nehmen, weil vor allem das Alte Schützenhaus und der Alte Emmersberg auch wichtige Quartiertreffpunkte darstellen, die man nicht verlieren wollte.

Was für das alte Schützenhaus gilt, galt und gilt auch für die anderen Gasthäuser der Stadt: Sie sind immer mehr als nur Orte zur Einkehr, Treffpunkte des Austauschs, des Handels und der Geselligkeit gewesen.
Es sind genau diese Orte gewesen, an denen Menschen zusammengekommen sind, Geschichten geteilt und Gemeinschaft gepflegt haben. Eine Tradition, die bis heute lebt – dank Ihnen!

Sie alle – sei es in der Gastronomie, in der Hotellerie oder in verwandten Bereichen – tragen diese Tradition mit viel Herzblut und Engagement weiter.
Sie prägen nicht nur das Bild unserer Region, sondern sind auch Botschafterinnen und Botschafter einer Kultur, die auf Qualität und Authentizität beruht.

Gerade in einer Zeit, in der sich Vieles verändert, bleibt eines konstant:
Der Wert eines offenen Hauses, eines herzlichen Willkommens und einer Küche, die mit Liebe zubereitet wird.
In diesem Sinne möchte ich Ihnen nicht nur für Ihre tägliche Arbeit danken, sondern Sie auch ermutigen, weiterhin stolz auf Ihre Rolle in dieser grossen Tradition zu sein.

Schaffhausen ist jedenfalls stolz auf seine Gastgeberinnen und Gastgeber.
Die Gründung des kantonalen Wirtevereins 1902 ist ja vor allem dem Wirteverein der Stadt zuzuschreiben gewesen.
Sie - geschätzte Anwesnde - tragen zu unserer hohen Attraktivität als Wohn- und Wirtschaftsstandort bei, vor allem touristisch und volkswirtschaftlich, auch dank ihren wichtigen Arbeits- und Ausbildungsplätzen.
Darum wünsche ich Ihnen – auch im Namen des SR - für die Zukunft nur das Beste und an Ihrer heutigen Versammlung einen inspirierenden Austausch, spannende Gespräche und – wie es sich für die Gastronomie gehört – auch genussvolle Momente.