29.06.2024
120 Jahre SP Schaffhausen
Es ist mir eine grosse Freude und Ehre, heute neben unseren nationalen Gastreferenten zu diesem tollen Jubiläum unserer Partei ein paar Worte an Euch richten zu können.
Ich mache das sehr gerne, weil ich mich seit über vier Jahrzehnten eng mit der SP und den Menschen, die diese Partei ausmachen, verbunden fühle und mich in dieser Zeit in diversen Funktionen in und für die SP engagiere.
Ein Jubiläum ist ja immer ein Grund zurück und nach vorne zu schauen.
Beim kurzen Rückblick stütze ich mich vor allem auf die Erkenntnisse unseres Parteihistorikers Bernhard Ott.
Am 31. Januar 1904 haben sich im Arbeitertreffpunkt „Tannenhof“ in Schaffhausen 140 Personen eingefunden, um die Sozialdemokratische Partei zu gründen.
Natürlich sind das ausschliesslich Männer gewesen, da die Frauen damals noch gar nicht stimmberechtigt gewesen sind.
Es ist vorerst eine städtische Organisation gewesen, der allerdings auch die ausserstädtischen Grütlivereine und Gewerkschaften angegliedert wurden.
Zum ersten Präsidenten ist Hermann Schlatter, Chefredaktor der Arbeiterzeitung „Echo vom Rheinfall“, gewählt worden.
Die Parteigründung ist unter anderem eine Reaktion auf Gründung der FDP eine Woche zuvor gewesen.
Bei dieser haben sich gleich alle 5 amtierenden Regierungsräte, 4 von 5 Stadträten sowie alle 4 Eidgenossen eingeschrieben.
Bei der Parteigründung der SP ging es um die Konzentration der Kräfte, denn bisher war die Arbeiterbewegung nur ein loses Bündnis, das aufgrund des Majorzwahlsystems kaum politische Mandate erringen konnte.
Die politischen Forderungen hat an der Versammlung der Neuhauser Gemeindepräsident Jean Moser formuliert. Darunter waren z.B.:
- die Schaffung eines Arbeiterschutzgesetzes
- die Errichtung eines Lungensanatoriums oder
- unentgeltliche Geburtshilfe und Krankenversicherung.
Es ist der SP vorerst nicht gelungen, auf der Landschaft Einfluss zu erlangen, sondern nur in den Orten mit Industrie, also in der Stadt, in Neuhausen, Beringen, Thayngen und in Stein am Rhein.
Die Ausweitung zu einer Kantonalpartei ist erst 1911 geglückt, als die Arbeiterunion unter dem Präsidium von Eduard Haug sich als Sozialdemokratische Partei von SH und Umgebung bezeichnet hat.
Wegen des Majorzwahlrechts ist die SP noch lange von der Gnade der allmächtigen FDP abhängig gewesen.
Als die SP in der sozial- und politisch aufgeladenen Atmosphäre des ersten Weltkriegs ihre kooperative Haltung aufgegeben hat und auf Konfrontation mit der FDP gegangen ist, hat sie zuerst eine böse Niederlage erlitten.
Weder hat sie 1915 den Einzug in den Regierungsrat geschafft, noch 1916 bei den Kantonsratswahlen im Stadtbezirk ihre Sitzzahl halten könne.
In Neuhausen hingegen hat sie vom Majorzsystem profitiert und im gleichen Jahr mit einem Stimmenanteil von 73.8% 100% der 9 Kantonsratssitze geholt.
Erfolgreich ist die SP anfänglich vor allem bei den Kommunalwahlen in der Stadt und in Neuhausen gewesen.
Parteipräsident Hermann Schlatter ist am 17.05.1908 als erster Linker in die Stadtregierung eingezogen.
9 Jahre später, 1917, kurz vor dem Generalstreik, ist er mit christlich-sozialer Wahlhilfe zum Stadtpräsidenten gewählt worden.
Damit ist er - neben Walther Bringolf und mir - der erste von drei roten Hallauern im Stadtpräsidium gewesen.
Keinen Stich hat die Partei vorerst bei den nationalen Wahlen und bei den Regierungsratswahlen gehabt.
Hermann Schlatter ist bei den Nationalratswahlen 1905 genauso gescheitert, wie bei den Ständeratswahlen 1906 und 1911, als er für beide Kammern kandidiert hat.
Zum ersten linken Nationalrat ist Walther Bringolf 1925 - noch als Kommunist - gewählt worden.
An Regierungsratswahlen hat sich die SP erstmals 1911 beteiligt.
Erfolgreich ist sie aber erst 24 Jahre später, 1935 mit Ernst Bührer gewesen.
Das hat nur dank der Unterstützung durch die Bauernpartei, die sich 1918 von der FDP abgespalten hatte, geklappt.
1936 hat sie die SP bei den Kantonsratswahlen unterstützt und ist 1939 bei den nationalen Wahlen sogar eine Listenverbindung mit unserer Partei eingegangen. Dieser Flirt von Bauernpartei und SP hat aber nicht lange gedauert.
Das Ergebnis hat sich aber nicht mehr rückgängig machen lassen, wie Bernhard Ott das 2004 in der az formuliert hat: „Rund 30 Jahre nach ihrer Gründung war die SP zu einer der massgebenden politischen Kräfte im Kanton geworden - und blieb es bis zum heutigen Tag.“
Liebe Genossinnen und Genossen
Wenn wir die Gründung der SP vor 120 Jahren anschauen, gibt es gewisse Parallelen zur Gegenwart: 2022 hat sich die Alternative Liste, die links der SP politisiert hat, aufgelöst und ist integral der SP beigetreten.
Damit kam es nicht nur zu einer Konsolidierung der linken Kräfte im Kanton, sondern auch zu einer starken Verjüngung unserer Basis und zu einer spürbaren Stärkung unserer politischen Durchschlagskraft.
Das hat sich 2023 erstmals mit der Wahl von Simon Stocker in den Ständerat gezeigt und wird sich hoffentlich auch in diesem Gesamterneuerungswahljahr wieder manifestieren.
Erlaubt mir zum Schluss noch ein paar persönliche Bemerkungen:
Die SP ist für mich in den vergangenen 42 Jahren meiner aktiven Mitgliedschaft immer mehr als eine Partei gewesen - sie ist so etwas wie eine zweite Familie geworden.
So etwas ist für Mitglieder anderer Parteien kaum nachvollziehbar.
Aber wir sind eben mehr als ein Wahlverein, wir sind eine verschworene Wertgemeinschaft, welche seit der Gründung für ihre universellen Ideale brennt.
Wir kämpfen für die Schwächeren, für diejenigen, die keine Lobby haben, die auf unser Engagement angewiesen sind.
Dazu zählt auch die Natur. Darum ist die erfolgreichste grüne Partei im Kanton SH schon immer rot gewesen.
Unsere sozialdemokratische Bewegung ist in den vergangenen Jahrzehnten europa- ja weltweit erfolgreich gewesen und hat viele westlichen Länder positiv prägen können.
Und ich finde es immer wieder unglaublich inspirierend, grenzüberschreitend Genossinnen und Genossen zu begegnen, welche als Seelenverwandte für die gleichen Ideale kämpfen.
An dieser Stelle ein herzlicher Gruss an die Genossinnen und Genossen aus unserer deutschen Nachbarstadt Singen. Schön, dass Ihr heute bei uns seid.
Aktuell sind unsere Werte aber vielerorts in Bedrängnis geraten und werden in Frage gestellt.
Rechter Populismus, Nationalismus und Rassismus grassieren welt- und europaweit.
Und die perspektivlosen Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten lassen uns an der Menschheit zweifeln.
Wir dürfen uns von solchen negativen Entwicklungen aber nicht entmutigen lassen, denn unser Engagement für Frieden, Freiheit, Demokratie, Gerechtigkeit und Solidarität ist jetzt noch wichtiger.
Wer, wenn nicht wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten stehen aufgrund unserer Geschichte und unserer Ideale in der Verantwortung, dafür zu kämpfen, dass sich unsere Welt nicht in eine völlig falsche Richtung entwickelt?
Nur dank einer starken Sozialdemokratie partizipieren heute viele Menschen in unserem Land, in unserem Kanton und in unserer Stadt an Fortschritt und Wohlstand.
Um das auch in Zukunft zu gewährleisten und noch mehr Menschen zu ermöglichen, braucht es auch künftig eine starke SP, auch in SH.
Lasst uns in diesem Sinne heute auf unser Geburtstagskindund auf erfolgreiche Gesamterneuerungswahlen 2024 anstossen.