03.09.2024

Stadt beschleunigt Ausbau von Wärmeverbünden

Foto: schaffhauser az/Robin Kohler

Foto: schaffhauser az / Robin Kohler

Stellungnahme des Stadtrats zur Volksmotion "Wärmeverbünde jetzt" vom 03.09.2024 im Grossen Stadtrat

Die Volksmotion «Wärmeverbünde jetzt!» fordert die Anpassung des Versorgungsauftrages Wärme und Kälte, so «dass andere Ersteller oder Betreiber von Verbünden gegenüber SH POWER nicht mehr benachteiligt» würden.

Sie haben die ausführliche Stellungahme des Stadtrats schriftlich erhalten. Ich werde meine mündlichen Ausführungen deshalb etwas kürzer halten:

Mit dem Versorgungsauftrag für Wärme und Kälte ist die Wärmeversorgung in Schaffhausen als öffentliche Aufgabe definiert.
Das ist sinvoll, denn Wärme ist ein Grundbedürfnis der Menschen und lebensnowendig.
Deshalb übernimmt in fast allen Städten unseres Landes die öffentliche Hand die Verantwortung für die Wärmeversorgung, wie für andere kritische Infrastrukturen der leitungsgebundenen Grundversorgung wie Wasser oder Strom.

Das Ergebnis der Volksabstimmung über den Axpo-Vertrag im Kanton hat gezeigt, dass die Bevölkerung dies auch so will.

Aufgrund dieses Auftrags plant, baut und betreibt SH POWER in der Stadt Schaffhausen bereits acht Wärmeverbünde, dazu kommen Vorplanungen für vier weitere Gebiete.

Den Volksmotionär interessiert natürlich am meisten die Situation auf der Breite: Da sind die Städtischen Werke in der Planungsphase  zur Baubewilligung.
Mit dem Bau der Energiezentrale soll 2025 gestartet werden.
Den Start des Leitungsbaus in Richtung KSS und Psychiatrische Klinik Breitenau ist auf 2026 angesetzt.
Von der Energiezentrale Breitenau (Standort ehemaliges Öllager) soll ab 2026 das Netz für den Wärmeverbund Breite über die Hohlenbaumstrasse gebaut werden. Ob eine allfällige Wärmenutzung des Rechenzentrums Beringen noch mehr Möglichkeiten eröffnen kann, wird sich in den nächsten Monaten zeigen.

Zurück zum Motionsanliegen: Mit den vielen aufgegleisten Projekten ist die Stadt mit den Städtischen Werken der wichtigste Player beim Ausbau der erneuerbaren Wärmeversorgung auf Stadtgebiet, was in den Diskussionen in den letzten Monaten leider etwas untergegangen ist.

In Kürze wird Ihnen der Stadtrat - wie bereits vor den Sommerferien angekündigt - einen zweiten Rahmenkredit für den Ausbau der erneuerbaren Wärmversorgung beantragen, weil der erste unterdessen fast ausgeschossen ist.
Sie sehen also, wir haben die Stimmen aus der Bevölkerung gehört und treiben den Ausbau der Wärmeverbünde mit Hochdruck voran.

Der Wärme-Versorgungsauftrag sieht auch vor, dass Drittbetreibern die entsprechenden Rechte und Pflichten mittels Konzession übertragen werden können.
Diese umfasst sowohl Elemente einer Sondernutzungskonzession für die Nutzung des öffentlichen Grundes nach Strassengesetz sowie auch solche einer Monopolkonzession für die Übertragung einer öffentlichen Aufgabe.

Weil die Wärmeversorgung dank dem Versorgungsauftrag als öffentliche Aufgabe definiert ist und die Übertragung an einen Drittbetreiber deshalb eine Monopolkonzession erfordert, übernimmt die Stadt, die sowieso schon die Hoheit über alle leitungsbeundenen Medien im öffentlichen Boden hat, die Koordination, Steuerung und Aufsicht über den Ausbau der erneuerbaren Wärmeversorgung, womit sie die öffentlichen Interessen wahrt. Hierzu erlässt sie bei der Konzessionserateilung an Dritte wichtige Auflagen wie

  • die Abstimmung der Perimeter der verschiedenen Wärmeverbünde aufeinander,
  • die Sicherung einer möglichst vollständigen Erschliessung von Konzessionsgebieten,
  • die Überprüfung der finanziellen Potenz eines Betreibers für einen Wärmeverbund oder
  • die Sicherstellung, dass keine Preismodelle angewendet werden, mit welchen die Versorgungspflicht umgangen und kleine Verbraucher ausgeschlossen werden (Cherrypicking).

Die Stadt wahrt mit diesen Auflagen also nichts weniger als die Versorgungssicherheit und die grundlegenden Interessen der Bevökerung.

Die stadteigenen Wärmeverbünde verfügen über entscheidende Vorteile:

  • Die öffentliche Hand behält die Kontrolle über eine kritische Infrastruktur und
  • die Erträge aus der Grundversorgung bleiben beim Gemeinwesen und damit bei der Allgemeinheit.
  • Es gibt für die Bezügerinnen und Bezüger kein (wirtschaftliches) Ausfallrisiko,
  • die Leitungsnetze werden aus einer Hand geplant und betrieben,
  • die Auswirkungen im Strassenbau werden minimiert und
  • langfristig können die Wärmeverbünde zwecks Effizienzgewinne zusammengeschlossen und die Tarife vereinheitlicht werden.

Anderseits können Drittanbieter zu einem raschen Ausbau der Wärmeverbünde beitragen.

Deshalb hat der Stadtrat bei der Umsetzung des Versorgungsauftrages dieses Jahr einen Paradigmenwechsel zum verstärkten Einbezug von Drittanbietern vollzogen.

Das Tempo des Ausbaus der Wärmeverbünde soll hohe Priorität geniessen. Darum wurden bei den Städtischen Werken die Ressourcen entsprechend erhöht. Wir wollen vorwärts machen.

Wenn ein Drittanbieter ein Gebiet schneller entwickeln kann und will, als die Städtischen Werke, soll eine Konzessionsvergabe geprüft werden.

Auf das Festlegen sogenannter Konversionsgebiete, die für die Entwicklung durch die Städtischen Werke reserviert sind, wird verzichtet.

Der Grund für diese Praxisänderung ist schnell erklärt: Damit soll der Ausbau der Wärmeverbünde weiter beschleunigt werden.

Denn das ist seit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine und der drohenden Energiemangellage einerseits ein wichtiges Anliegen aus der Bevölkerung, anderseits ist das auch im Sinne der Klimaziele der Stadt Schaffhausen.

Ich gebe es gerne zu, weil es eine positive Botschaft ist:

Der Stadtrat hat die Bevölkerung gehört, aus den Erfahrungen die notwendigen Schlüsse gezogen und in der Folge eine zielführende Handhabung gefunden, wie der Versorgungsauftrag gelebt und schneller umgesetzt werden soll.

Den Tatbeweis hat der Stadtrat mit der Konzessionsvergabe für den WVB Falkenstrasse und der Konzession Gruben bereits erbracht.
Dabei wurde die Nutzung des öffentlichen Grundes unentgeltlich gewährt.
Im östlichen Stadtgebiet wird die Erschliessung der verschiedenen Quartiere durch SH POWER sowie einen Drittanbieter so koordiniert, damit die einzelnen Quartiere möglichst schnell, aber auch möglichst vollständig erschlossen werden.

Auf diese Weise werden die Ressourcen zweier Anbieter optimal genutzt und die Perimeter aufeinander abgestimmt.

Im Rahmen dieser Gesamtplanung hat sich die Stadt im Juni bereit erklärt, konkret über die Erweiterung der Konzession Gruben für die Quartiere Ungarbühl und Emmersberg zu entscheiden, obwohl im Ungarbühl ursprünglich auch SH POWER einen Wärmeverbund geplant hatte.

Das Beispiel zeigt, wie die Stadt eine vollständige, sichere und schnelle Erschliessung koordinieren kann, weil die Wärmeverorgung in Schaffhausen als öffentliche Aufgabe definiert ist.

Mit dem verstärkten Einbezug von Drittanbietern nimmt der Stadtrat die zentrale Forderung der Volksmotion auf:

Wenn es schneller geht und die öffentlichen Interessen sichergestellt werden können, sollen Wärmeverbünde von Drittanbietern möglich sein.

Dies ist aus Sicht des Stadtrats der zielführendste Weg zur Erfüllung des Anliegens, welches der Volksmotion zugrunde liegt.

Eine Überweisung der Volksmotion würde darüber hinaus aber nur noch entscheidende Nachteile bringen: Wenn der Versorgungsauftrag angepasst werden muss und die Wärmeversorgung nicht mehr als öffentliche Aufgabe definiert ist, würde die Stadt in ihrer Steuerungsrolle  und in der Vertretung der öffentlichen Interessen massiv geschwächt.

Die Stadt muss bei der Übertragung dieser öffentlichen Aufgabe die öffentlichen Interessen sicherstellen, denn diese sind nicht immer deckungsgleich mit den Interessen privater Anbieter. Diese werden ja nicht aus rein idealistischen Gründen tätig, sondern wollen damit Geld verdienen, was grundsätzlich ja nichts Negatives ist.
Aus wirtschaftlicher Optik macht es z.B. Sinn, vor allem die grossen Verbraucher und die Überbauungen mit hoher Wärmedichte anzuschliessen und möglichst wenig kleine Verbraucher, die z.B. mit degressiven Tarifen abgeschreckt werden könnten.
Wir als Grundversorger unterliegen hingegen dem Solidaritätsprinzip und haben in einem versorgten Perimeter alle anzuschliessen, die anschliessen wollen. Das ist wie beim Gas, Wasser oder Strom.
Darum braucht es die Stadt, die über Monopolkonzessionen nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten auf private Anbieter übertragen kann.

Auch könnte der Stadtrat nicht mehr sicherstellen, dass die Perimeter der Wärmeverbünde aufeinander abgestimmt werden, damit keine Versorgungslücken entstehen.

Und die energiepolitische Optimierung der Wärmeversorgung wäre ebenso wenig sichergestellt wie die Überprüfung der genügenden finanziellen Ausstattung von Drittbetreibern, Stichwort: Ausfallsrisiko.

Überdies müsste auch die Rolle der Städtischen Werke überdacht werden, welche wie erwähnt mit Abstand die wichtigste Garantin für die Erstellung von Wärmeverbünden auf Stadtgebiet ist.

Zudem entstünden praktische Schwierigkeiten und neue juristische Fragestellungen bei der Umsetzung, bspw. beim Umgang mit mehreren Interessenten für das gleiche Gebiet oder betreffend Ausschreibungsverfahren.
Damit würde eine Überweisung der Volksmotion zu einer spürbaren Verzögerung mit Rechtsunsicherheit führen.

All diese Folgen laufen dem eigentlichen Anliegen der Motion zuwider.

Es wäre ein Schuss ins eigene Bein.

Der Ausbau der Wärmeverbünde würde damit nicht schneller, sondern chaotischer und verzögert.
Wir wollen aber keinen «Wilden Westen» beim Ausbau der erneuerbaren Wärmeversorgung auf Stadtgebiet, sondern ein schnelles, aber geordnetes Vorgehen, bei dem die Stadt die öffentlichen Interessen wahren kann.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Art der Umsetzung des Versorgungsauftrages musste sich seit seiner Inkraftsetzung entwickeln.

Aber mittlerweile liegt eine Praxis vor, die einen geordneten und raschen Ausbau der Wärmeverbünde durch die Stadt und Drittanbieter ermöglicht. Dieser Prozess soll nicht durch die Ausarbeitung einer neuen Verordnung, welche mehr Nachteile als Vorteile bringt, aufgehalten werden.

Der Stadtrat beantragt Ihnen deshalb, die Volksmotion nicht erheblich zu erklären.