03.01.2024

Es sind gute Zeiten, um Stapi zu sein

Der Schaffhauser Stadtpräsident (SP) sagt, er wolle im Wahljahr 2024 für eine weitere Amtszeit antreten. Im Neujahrsinterview nimmt er Stellung zum Bruch mit einem Traditionsanlass, zu einem Tötungsdelikt und zur Dauerkritik an SH Power (Interview: Mark Liebenberg). Was in der Stadt wichtig wird: Altersstrategie, neue Stadthomepage GoLife, neuerlicher Rahmenkredit für Wärmeverbünde, Architekturwettbewerb für das KSS-Hallenbad, Elektrifizierung der Regionalbusse (Wer kriegt von der VBSH den Zuschlag?), Rheinufer Ost: Grundsatzentscheid, Erneuerung Schulhaus Steig (Volksabstimmung am 3. März), diverse Volksabstimmungen: Verschlankung des Einbürgerungsverfahrens, Altstadtinitiative, Wohnrauminitiative. Herr Neukomm, es ist ein Wahljahr, legen wir deshalb gleich zu Beginn die Karten auf den Tisch: Wollen Sie es im Herbst noch einmal wissen als Stadtpräsident? Peter Neukomm: Ja. Ich habe auch gegenüber der Partei schon länger kommuniziert, dass ich mich für eine weitere Amtszeit zur Verfügung stelle. Ich habe grossen Spass an der Aufgabe und es sind gute Zeiten, Stadtpräsident von Schaffhausen zu sein. Sie sind seit 15 ​Jahren im Stadtrat, seit 2015 Stadtpräsident. Was motiviert Sie? Neukomm: Sehr motivierte Stadtratskollegen, es ist ein Team, das sehr erfolgreich ist. Und die Mitarbeitenden. Mich motiviert auch ein starkes Netzwerk, das ich aufbauen konnte, sei es in der Städtekammer der Metropolitankonferenz Zürich, sei es grenzüberschreitend in der Bodenseeregion, national bei den städtischen Energiedirektoren. Mich freut, zu sehen, dass Schaffhausen schweizweit wahrgenommen wird. Zum Beispiel als Frontrunner-Stadt im Klimaschutz und der Energiewende, als die wir vor Kurzem vom Bundesamt für Energie ausgezeichnet worden sind. Die Wahl ist erst im August, bis dahin: Welche Top-Prioritäten setzen Sie als Stadtpräsident, welche Prioritäten setzt der Stadtrat? Neukomm: Es wird ein extrem arbeitsreiches halbes Jahr. Neben der Einführung geleiteter Schulen stehen Baubeginne an, an der Bahnhofstrasse, in der Kammgarn, beim Magazin Birch, welches zurzeit noch durch eine Einsprache blockiert ist. Die Einweihung des neuen Stadthauses Mitte Jahr wird auch ein Meilenstein. Zudem werden wir einen neuen Rahmenkredit für den Ausbau der Fernwärme vorantreiben. Und gleichzeitig eine Vorlage bringen, wie wir die Konversion der Gasversorgung hinkriegen wollen. Beginnen wir mit einem Blick auf die Aktualität: Eine Niederlage vor Gericht musste der Stadtrat wegen seiner Klimareserve einstecken, eine weitere Beschwerde ist wegen des Budgets von SH Power eingereicht worden. Es wird juristisch mit harten Bandagen gekämpft … Neukomm: Gewisse politische Kräfte versuchen uns offenbar auf dem Gerichtsweg Steine auf den Weg zu legen, weil sie demokratisch keine Mehrheiten finden. Das ist ihr gutes Recht und in einem Rechtsstaat so zu akzeptieren. Ich muss das nicht weiter kommentieren. Im Fall der Klimareserve war es für die FDP immerhin ein erfolgreicher Weg. Empfinden Sie es als Niederlage? Neukomm: Nein, wir haben uns bei der Auslegung des kantonalen Finanzhaushaltsgesetzes an die kantonale Praxis gehalten. Genau gleich wie übrigens beim Budget von SH Power. Wenn ein Gericht das anders entscheiden sollte, müssten wir uns dann neu ausrichten. Blick zurück: Welches waren aus Sicht der Stadtregierung 2023 Erfolgsmomente und welche würden Sie als schwarze Tage bezeichnen? Neukomm: Als Erfolg darf man alle vier Volksabstimmungen werten, bei welcher die Bevölkerung den Stadtrat und seine Politik gestärkt hat. Neben dem Entscheid für das neue Hallenbad am wichtigsten fast das erneute Budgetreferendum von bürgerlicher Seite, das Anfang Jahr gescheitert ist. Das Volk steht offenbar hinter unserer ausbalancierten Finanzpolitik. Verzögerungen wegen der Statik bei der Kammgarn oder wegen einer Submissionsbeschwerde beim Magazin Birch sind unschön, aber gehören nun mal dazu. Im Grossen und Ganzen sehe ich uns gut auf Kurs. Ein Ereignis, das weithin Entsetzen ausgelöst hat, ist das Tötungsdelikt in der Safrangasse, gleich dort, wo die neue Stadtverwaltung gebaut wird. Der Stadtrat hat Tage gebraucht, bis er sich dazu äusserte. Neukomm: Der Todesfall ist ganz schlimm und tragisch. Wir haben den Angehörigen des jungen Mannes unser Mitgefühl ausgesprochen. Aber sehen Sie, wir sind nicht gewählt, um bedauerliche Einzelfälle hochzuschaukeln, das machen die Medien schon genug. Ich war zwanzig Jahre lang Strafverfolger, solche Fälle gibt es leider immer mal wieder. Aber in keinster Weise ist der Fall ein Ausdruck einer ausserordentlichen Gefährdungssituation hier in der Stadt Schaffhausen. Aber dieser Fall, Messer und Drogen im Ausgang, die Wochenendnächte oder die Situation am Bahnhof haben ein angeschlagenes subjektives Sicherheitsempfinden zur Folge. Entwickelt sich da ein Problem in der Stadt? Neukomm: Ich finde es auch schlimm, dass im Ausgang Messer mitgenommen werden. Aber das ist kein spezifisches Schaffhauser Problem. Die Leute erwarten von uns, dass wir die Situation nüchtern einschätzen und nicht ein Politikum daraus konstruieren. Politische Forderungen nach mehr Polizeipräsenz oder einem Posten in Bahnhofsnähe folgten ja dann aber sofort. Neukomm: Wir haben diese Forderungen schon vor diesem Vorfall gestellt und der Kanton hat ihnen ja entsprochen. Beim Bahnhof anerkennen wir, dass es ein subjektives Unsicherheitsempfinden gibt wegen randständigen Personen, aber ein Gewaltproblem gibt es auch dort nicht. Die Nutzung des öffentlichen Stadtraums ist und bleibt ein Thema. Linksgrüne Jungpolitiker fordern mehr, oder aber sicher nicht weniger Party am Rheinufer und in der Rhybadi. Anwohner wehren sich gegen Lärm und Littering. Die Stadtregierung äussert sich sehr unentschlossen. Was ist da Ihre Haltung? Neukomm: Sie nennen es «unentschlossen», wenn der Stadtrat nicht vorschnell Partei für die eine oder andere Haltung ergreift? Ich finde, dass man beide Anliegen ernst nehmen und die Interessen ausbalancieren muss. Es muss ein Mittelweg zwischen der Stadt als Ort für Veranstaltungen und als Wohnort gesucht werden. Ein Mittelweg ist aber nicht immer möglich. So konnte die zentrale Bundesfeier der Neuen Helvetischen Gesellschaft (NHG) nicht stattfinden, weil die Stadt dem Festival Stars in Town den Zuschlag gab für die Fronwagplatz-Nutzung. Wie sieht es am nächsten 1. ​August aus? Neukomm: Nun, ich habe alles versucht, da eine Einigung zu finden. Die NHG war nicht zu einem Kompromiss bereit, im Gegensatz übrigens zu den Organisatoren von Stars in Town. Das heisst, die Stadt sucht nun eine andere Organisation, welche die zentrale Nationalfeier in der Stadt organisiert. Die Stadt sucht jemand Neuen? Neukomm: Ja, die NHG ist ausgestiegen, was ich sehr bedauere, also suchen wir nach einem neuen Partner, der in unserem Auftrag eine Bundesfeier in der Altstadt ausrichten kann. Ob das bis zum nächsten 1. ​August schon klappt, kann ich noch nicht sagen. Eine wichtige Neuerung im 2023 war die neu geschaffene Stelle für die Innenstadtkoordination. Der City Manager soll nichts unversucht lassen, um die Stadt zu beleben. Welches Zwischenfazit ziehen Sie von seiner Tätigkeit? Neukomm: Ich bin optimistisch. Die Agentur Leap of Faith ist jetzt seit einem halben Jahr intensiv dran und sie musste ja praktisch bei null beginnen. Daher sieht man zurzeit noch nicht viele konkrete Projekte, da vieles gerade in der Planungsphase ist. Und einiges davon eher im Sommerhalbjahr umgesetzt werden soll. Dazu müssen die Stakeholder mitziehen, da darf man keine Wunder erwarten. Richtig Bilanz ziehen werden wir in der ersten Hälfte 2025, gegen Ende der zweijährigen Pilotphase, um zu entscheiden, ob die Innenstadtkoordination definitiv installiert werden soll. Vor einem Jahr war ein Hauptthema der städtische Personalmangel. Mittlerweile hat der Rat zweimal grosszügige Lohnsummenentwicklungen genehmigt, zweimal fast vier Prozent! Hat das gewirkt? Oder wo steht die Stadt jetzt? Neukomm: Vor allem im Bereich der jüngeren Arbeitnehmer und im Bereich der Pflege haben diese Lohnmassnahmen fürs Personal spürbar Wirkung gezeitigt, ja. Aber die Stadt hat den bleibenden Nachteil der Randlage. Es bleibt anspruchsvoll, Fachkräfte zu finden. Oft müssen wir Stellen zwei-, dreimal ausschreiben, bis wir geeignete Bewerbungen haben. Wie man hören konnte, hat die Stadt Anfang Jahr eine Mitarbeiterzufriedenheitsumfrage durchgeführt. Werden die Ergebnisse veröffentlicht? Neukomm: Diese Umfrage wird periodisch gemacht, etwa einmal pro Legislatur. Die Ergebnisse sind nicht zur Veröffentlichung bestimmt, schon gar nicht für einzelne Abteilungen. Dies aus datenschutzrechtlichen Gründen. Die Umfrage ist vor allem ein internes Führungsinstrument. Aber welche Resultate hat die Umfrage zutage gefördert? Neukomm: Ähnliche wie bei der letzten Befragung. Wir sind auch im Vergleich zu anderen städtischen Verwaltungen in einem vertretbaren Range. Natürlich gibt es Abteilungen, wo die Zufriedenheitswerte super sind, und andere, wo sie etwas schlechter sind. Eine Abteilung ist im letzten Jahr ja immer mehr ins politische Kreuzfeuer geraten: die Städtischen Werke SH Power. Ein Werkhof, der immer teurer wurde, Aktivitäten im freien Markt auf Kosten der privaten Firmen, zuletzt Zweifel daran, dass die Organisation mit Globalbudget und Leistungsaufträgen korrekt sei und eben die verwaltungsrechtliche Klage. Was sagen Sie als «Werkreferent» zu diesem wachsenden Unbehagen? Neukomm: Wissen Sie, wir erleben hier eine Kampagne gegen einen hervorragenden Grundversorger, die aus rein ideologischen Gründen geführt wird von Kreisen, welche SH Power am liebsten privatisieren möchten. SH Power ist genau gleich aufgestellt, wie die Werke in Winterthur oder St. ​Gallen. Wir machen nichts anderes, als andere auch. Und notabene mit dem Segen der kantonalen Finanzaufsicht. Ob das wirklich so ist, soll ja jetzt juristisch analysiert werden. Gleichzeitig läuft eine Volksinitiative, mithin ein legitimes politisches Mittel. Diese möchte dafür sorgen, dass SH Power nicht immer mehr in den freien Markt drängt. Alles bloss eine ideologische Kampagne? Neukomm: Ich möchte daran erinnern, dass SH Power den Auftrag hat, im Versorgungsgebiet die Energiewende zu begleiten! Es ist doch so, dass wir als Stadt dafür sorgen müssen, dass die sogenannten Privaten kein «Cherry picking» machen, um Geld zu verdienen, etwa mit Wärmeverbünden, wo es notabene um die Grundversorgung geht, bei der die Wärmebezüger keine Wahl unter mehreren Anbietern haben. Und was ist, wenn private Anbieter Konkurs gehen? Ich erinnere an den Fall Loepfe. Dann muss die gute alte SH Power einspringen. Was mich bei den Leistungen, welche über die Grundversorgung hinaus gehen, am meisten stört ist, dass bei einem Rückzug der Städtischen Werke nicht kleine Private zum Zuge kommen, sondern grosse Energiefirmen in öffentlicher Hand aus anderen Kantonen, wie EKZ oder BKW. Die warten doch nur darauf! Bei der Klage geht es doch um etwas ganz anderes: Die Städtischen Werke sind eine Verwaltungsabteilung. Wieso soll es dann nicht mehr parlamentarische Mitbestimmung über diese Abteilung geben, so wie zum Beispiel bei Grün Schaffhausen? Neukomm: Das Konstrukt stammt aus der Zeit meines Vorvorgängers, dem notabene freisinnigen Stadtpräsidenten Marcel Wenger. Dem hat die Stimmbevölkerung damals klar zugestimmt. Und es ist, wie gesagt, auch konform mit den neuen Finanzhaushaltsregeln. Das haben wir uns 2018 extra vom Kanton bestätigen lassen. Welchen Teil Ihres Pensums nehmen die Städtischen Werke mittlerweile ein? Neukomm: Schwer zu sagen, es ist schon mehr als noch vor zehn Jahren, vielleicht 20 bis 30 Prozent. Es geht dabei ja unterdessen nicht mehr nur um Versorgungssicherheit, sondern auch um die Umsetzung der Energiewende und diese ist wichtiges Standbein der Klimastrategie. Was wollen Sie als Stadtpräsident noch erreichen? Neukomm: Die Bevölkerung wächst wieder moderat und die Stadt kann zurzeit massiv in die Erneuerung der öffentlichen Infrastruktur investieren. Als ich 2009 als Finanzreferent angefangen habe, mussten wir jahrelang sparen. Jetzt können wir die Zukunft gestalten. Im Moment stehen die Kinder und Jugendlichen im Fokus: frühe Förderung, Klassenassistenzen, geleitete Schulen und die Sanierung sowie Ausbau von Schulhäusern, aber auch das Kinderzentrum Geissberg, das Kinder- und Jugendzentrum Fröbelgarten oder der Hallenbadneubau tragen zur familienfreundlichen Stadt bei. In einem nächsten Schritt werden wir die sanierungsbedürftigen städtischen Alterszentren Wiesli und Kirchhofplatz angehen müssen, also in die Infrastruktur für unsere betagten Menschen investieren. Welche Vorsätze haben Sie gefasst? Neukomm: Nebst meiner Wiederwahl? (lacht) Gesund bleiben, etwas mehr Bewegung. Und dass wir weiter an der Attraktivierung der Stadt arbeiten können, wovon übrigens die ganze Region profitiert. Herr Neukomm, danke für das Gespräch.

Schaffhauser Nachrichten 3.1.2024