Stellungnahme des Stadtrats vom 24.08.2021 im Grossen Stadtrat zur Vorlage 30 Mio. Rahmenkredit für Wärmeverbünde

Gestatten Sie mir eine Vorbemerkung zur Frage, warum es diese Vorlage braucht.

Wir stehen mitten in einem Wettlauf gegen die Zeit.

Und wir müssen uns beeilen, sonst verlieren wir ihn.

Das wird für unsere Kinder und Kindeskinder nicht nur extrem teuer, sondern auch deren Lebensqualität stark beeinträchtigen.

Sie vermuten richtig, ich spreche über den Kampf gegen den Klimawandel.

Die Erde wird sich in zehn Jahren um 1,5 Grad erwärmen, das ist leider kaum mehr umkehrbar.

Das Beklemmende an dieser Erkenntnis des vor kurzem publizierten 6. Klimaberichts des Weltklimarats ist, dass dies dasselbe Gremium bereits vor 30 Jahren vorausgesagt hat. Wir wissen also schon lange, dass es höchste Zeit ist, den CO2-Ausstoss schnell und massiv zu senken.

Aber: Die Emissionen sind in den letzten 30 Jahren weiter gestiegen und sie steigen immer noch.

Die CO2-Konzentration in der Atmosphäre wächst weiter, der Treibhauseffekt wird weiter verstärkt.

Extreme Hitzeereignisse wie in Kanada, massive Überschwemmungen wie in Deutschland, Riesenfeuer wie in Russland, den USA oder in Südeuropa werden häufiger – überall auf der Erde, auch bei uns im Randental.

Nun zeichnet der IPCC wieder die Klimazukunft vor.

Die neuen Zahlen geben uns im Gegensatz zu den früheren Daten nicht mehr viel Zeit, um unter der für viele Ökosysteme gefährlichen Erderwärmung von 2 Grad zu bleiben.

Weshalb erzähle ich Ihnen das alles?

Weil wir heute mit der Vorlage des SR einen wichtigen Schritt zu einer massiven Verminderung des CO2-Ausstosses in unserer Stadt machen können, eine Chance, die wir unbedingt nutzen müssen.

Es geht dabei um den neben dem Verkehr grössten CO2-Emittenten, dem Wärme- und Kältebedarf von Gebäuden, der immer noch zu über 80% fossil gedeckt wird.

Darum fordern Bund und Kantone die Gemeinden auf, das grosse Potenzial im urbanen Raum, das auf ca. 10 TWh geschätzt wird, mit dem Ausbau der Wärmenetze schnellstmöglich zu nutzen.

Zitat BFE: «Der Ausbau der Wärmenetze ist eine zentrale Massnahme für eine CO2-freie Wärmeversorgung».

Und weiter: «Für eine spürbare Reduktion der CO2-Belastung und eine Substituierung der fossilen Energieträger im Gebäudebereich im urbanen Raum braucht es rasch Wärme- und Kälteverbünde».
Deshalb wird der Ausbau auch finanziell gefördert.

Die städtische und kantonale Förderung ist gesichert (zusätzlich fördert die Stadt den Anschluss an Wärmeverbunde von Privaten mit weiteren 50%).

Ich verweise hierzu auf Art. 42e des kant. Baugesetzes.

Viele andere Städte unseres Landes sind auf dem gleichen Pfad:

So will Aarau bis 2030 durch den Ausbau des Fernwärmenetzes doppelt so viele Gigawattstunden Wärme absetzen als heute.

Bis 2040 sollen Wärmeverbünde die Gebäude auf 60% der besiedelten Fläche in der Stadt Zürich heizen können.

Die Frauenfelder Stimmbevölkerung wird Anfang nächsten Jahres über einen Rahmenkredit über 25 Millionen Franken für den Aufbau eines Wärmeverbundes in Frauenfeld-West abstimmen.

Baden will bis 2030 alle Quartiere in der Stadt erneuerbar beheizen und kühlen.

Service Biel will 22 Wärmeverbünde aus See- und Grundwasser bauen und sie untereinander verbinden.

Auch das St. Galler Energiekonzept 2050 sieht einen massiven Ausbau der regenerativen Wärmeversorgung durch die Stadtwerke vor.

Und die Industriellen Werke  Basel wollen bis 2035 rund 460 Millionen Franken in den Ausbau der Wärmenetze investieren.

Die Beispiele könnten noch beliebig erweitert werden.

Ich verzichte aus Zeitgründen darauf. Aber Sie sehen, wir sind in bester Gesellschaft. 

Mit unserer Vorlage werden wir in den kommenden Jahren den Ausstoss von hunderten, wenn nicht gar tausenden Tonnen CO2 auf unserem Stadtgebiet reduzieren.

Dies gelingt uns aber nur, wenn wir so schnell als möglich Alternativen zu fossilen Heizungen schaffen.

Wirtschaft und Bevölkerung brauchen schnell Klarheit, damit  sie ihre Investitionsentscheide bei der Wärme- resp. Kälteversorgung darauf abstützen können.
Bei der Planung des Wärmverbunds Altstadt Nord, die schon weit fortgeschritten ist, haben wir festgestellt, dass viele Liegenschaftsbesitzerinnen und -besitzer, deren fossile Heizungen in die Jahre gekommen sind, dringend auf dieses Angebot warten.

Darum hoffen wir, dass wir Ende November die Volksabstimmung über den Rahmenkredit durchführen können.

Das ist aber nur möglich, wenn Sie heute die zur Diskussion stehende Rahmenkreditvorlage vom 13.04.2021 beschliessen.

Wie kam es zu dieser Vorlage? Sie ist die Folge
– der Festsetzung des behördenverbindlichen Energierichtplans durch den SR 2019

– der im gleichen Jahr durch den Grossen Sadtrat (nachfolgend GSR) verabschiedete Eignerstrategie für SHP 
– und dem von Ihnen 2020 ohne Gegenstimme verabschiedeten Versorgungsauftrag für Wärme- und Kältenetze für SHP.
Der Rahmenkredit bildet also die konsequente Umsetzung der bisherigen politischen Weichenstellungen, an denen Sie alle beteiligt waren.

Mit diesen wurde bereits über das «Ob» entschieden.

Heute geht es nur noch um das «Wie» der Umsetzung.

Der Rahmenkredit ist das richtige Instrument, den Ausbau der Wärmeverbünde sinnvoll und zeitnah sicherzustellen.

Es wird darum in fast allen Städten der Schweiz dafür eingesetzt.

Denn Wärmeverbünde sind dynamische Projekte, welche auch immer wieder einmal vergrössert oder zusammengeschlossen werden.

Der Rahmenkredit gibt die Flexibilität, schnell und unbürokratisch neue Opportunitäten zu nutzen.

Müsste für jeden Wärmeverbund, dessen Vergrösserung oder Zusammenschluss mit einem anderen Verbund ein separater politischer Prozess lanciert werden, entsteht Planungsunsicherheit sowohl für SHP als auch für die potenziellen Bezügerinnen und Bezüger und die involvierten Unternehmen.

Projekte würden sich dadurch deutlich verzögern. Das schadet unserem Klima.

Deshalb haben wir uns am 25 Mio.-Rahmenkredit für die erneuerbaren Energien von 2011 orientiert.

Es gibt keine überzeugenden Gründe, weshalb wir von diesem Modell, das von den städtischen Stimmberechtigten mit grossem Mehr angenommen worden ist, jetzt abweichen sollen, zumal es bei jenem nicht nur um Investitionen in unserer Stadt ging.

Mit dem gewählten Vorgehen wird die demokratische Kontrolle und Transparenz gewährleistet: Der Rahmenkredit wird von SR, GSR und Stimmberechtigten beschlossen.
Die einzelnen Tranchen bis Fr. 2 Mio. (Grenze obligatorisches Referendum) sollen durch die Verwaltungskommission (VK) SHP und darüber zusätzlich noch durch den SR freigegeben werden.

Die Freigabe erfolgt nur, wenn die im Versorgungsauftrag verlangte Wirtschaftlichkeit absehbar ist.
Die zu beanspruchenden Jahrestranchen finden sich im jährlichen Budget und in der dabei erstellten resp. aktualisierten Finanz- und Investitionsplanung von SHP.

Über die Verwendung der Mittel wird – analog zum Rahmenkredit für Erneuerbare – im Verwaltungsberichts der Stadt jedes Jahr zuhanden des GSR und der Öffentlichkeit Rechenschaft abgelegt.

Und ganz wichtig: SHP wird nicht das ganze im Energierichtplan aufgezeigte Potenzial an Wärmeverbünden allein verwirklichen können.

Wir werden uns auf grössere Verbünde, bei denen die Stadt mit eigenen Gebäuden Wärmebezügerin ist, konzentrieren.

Das sind Verbünde, die aufgrund der Grösse von hiesigen Unternehmen gar nicht gestemmt könnten und die deshalb nicht umgesetzt würden, wenn SHP nicht investiert. Oder sie werden von grossen auswärtigen Unternehmen umgesetzt, was nicht im Sinne des lokalen Gewerbes wäre.

Private Wärmeverbünde, von denen bereits einige in Entstehung sind, wie bei der Steigkirche oder in den Fischerhäusern, bleiben weiterhin möglich.

Wenn SHP Wärmeverbünde erstellt, werden die Arbeiten im Rahmen des Vergaberechts an lokale und regionale Unternehmen vergeben.

So sorgen wir dafür, dass die Wertschöpfung – Arbeitsplätze, Steuererträge, Dividenden – in unserer Stadt oder Region bleibt.

Und nochmals zum Verständnis: Der Rahmenkredit ermöglicht überhaupt erst die Erstellung der Wärmeverbünde.

Die Netze und Energiezentralen dieser Verbünde werden auch bei einer Erstellung durch SHP immer durch Unternehmen der Privatwirtschaft, nicht durch SHP selber gebaut.

Der Rahmenkredit ist deshalb eine grosse Chance für das SH-Gewerbe.

Mit dem Versorgungsauftrag haben Sie letztes Jahr SHP den Auftrag für die Realisierung von Wärme- und Kältenetzen auch deshalb erteilt, weil es als unser wichtiges Verbundunternehmen in der Grundversorgung die Chance erhalten soll, auch weiterhin wirtschaftlich erfolgreich zu sein.

Denn aufgrund der nötigen Dekarbonisierung der Energieversorgung ist absehbar, dass die Einnahmen aus dem Gasgeschäft wegbrechen werden.

Mit der Erstellung und dem Betrieb von Wärme- und Kälteversorgungen soll es möglich werden, Ertragsausfälle beim Gas über ein anderes Geschäftsfeld zu kompensieren. Dazu braucht es jetzt Vorinvestitionen wie damals beim Bau der Gasnetze.

Diese Investitionen der Stadt muss SHP über die Erlöse aus dem neuen Geschäftsfeld längerfristig refinanzieren.

Weil dieses Geschäftsfeld moderat gewinnorientiert sein soll, dürfen wir längerfristig auch Ablieferungen daraus erwarten.

Zusammen mit unseren bisherigen Anstrengungen nehmen wir mit dem Bau der Wärme- und Kältenetze die Aufträge aus den übergeordneten Staatsebenen auf und leisten in unserem Handlungsbereich einen wichtigen Beitrag zur Erreichung der Zielsetzungen für eine Halbierung des CO2-Ausstosses bis 2030 und für netto Null bis 2050.

Die nötigen Investitionen ermöglichen eine namhafte Wertschöpfung für das lokale und regionale Gewerbe und reduzieren den Mittelabfluss ins Ausland.

Und dank zu erwartenden Förderbeiträgenkommt das im richtigen Moment und wird finanziell für alle interessant. Nutzen wir diese Chance, die zu einer Win-Win-Situation für Klima, Bevölkerung und Gewerbe führen wird.

Zur Frage der Kreditfreigabe

Wir sind uns einig, dass eine zusätzliche Kreditfreigabe durch den GSR keinen Mehrwert bringt bezüglich der Frage, ob und wie ein Wärmeverbund in einem Gebiet geplant und gebaut werden soll.

Dafür verfügt der GSR nicht über die nötigen fachlichen Kompetenzen.

Aber für jede Million und damit auch für jede Erweiterung eines Wärmeverbunds oder die Verbindung zweier Verbünde nochmals einen aufwändigen, zeitintensiven und teuren politischen Prozess durchzuführen, ist auch demokratiepolitisch sinnlos.

Warum?

Weil der GSR die massgeblichen politischen Entscheide über die verbindlichen Rahmenbedingungen bereits gefällt hat resp. heute den letzten dazu fällt.

Aufgrund des behördenverbindlichen Energierichtplans aus dem Jahr 2019, weiss der GSR, in welchen Stadtteilen, welche Art der Wärmeversorgung anzustreben ist.

Aufgrund dieser Vorgaben und gestützt auf die Eignerstrategie hat er am 01.09.2020 einstimmig (31:0, bei einer Enthaltung) die Grundsätze zum Bau, Betrieb, Unterhalt und zur Finanzierung der Wärme- und Kälteversorgung in der Stadt beschlossen.

Darin heisst es u.a.: «SHP ist verpflichtet, das Versorgungsgebiet der Stadt im Rahmen der genehmigten Kredite zu erschliessen. Die Wärme oder Kälte kann entweder durch SH POWER selbst oder durch Dritte produziert werden».

Zudem hat der GSR auch die Kriterien festgelegt, nach denen die VK und allenfalls der SR über die einzelnen Kreditfreigaben innerhalb des Rahmenkredits zu entscheiden hat. Im Versorgungsauftrag heisst es dazu: «Ein Ausbau eines Versorgungsnetzes erfolgt nur, wenn dieser für SHP wirtschaftlich ist».

Was heisst das nun?

Der laufende Aufwand für Kapitaldienst, Betrieb und Unterhalt muss längerfristig tiefer sein, als die Erlöse, die daraus erwartet werden.

Um das zu entscheiden, gibt es heute drei Kenngrössen, die zu berücksichtigen sind: Anschlussdichte, Wärmeabsatz und Trassenmeter.

Das sind schweizweit bewährte Parameter.

Zu den klaren, rechtsverbindlichen Rahmenbedingungen im Versorgungsauftrag haben Sie SHP auch noch ein Ziel gesetzt, um wieviel die Erlöse den Aufwand übertreffen dürfen.

Es heisst: «Der Betrieb der Netzte der Wärme- und Kälteversorgung soll moderat gewinnorientiert sein».

Hierauf können VK und SR für jeden Wärmeverbund dann bei der Festlegung der massgeblichen Tarife für die einzelnen Nutzergruppen Einfluss nehmen.

Sie sehen also, dass schon ganz viel vorgegeben ist, wenn SHP den Bau eines Wärmeverbunds startet, wenn ein Wärmeverbund erweitert oder zwei Wärmeverbünde zusammengeschlossen werden.

VK und allenfalls der SR haben diese Vorgaben bei den Kreditfreigaben jeweils zu prüfen.

Und jedes Jahr erhält der GSR Rechenschaft darüber, wie der Versorgungsauftrag umgesetzt worden ist.

Er behält also die Kontrolle darüber, ob SHP das korrekt gemacht hat und, ob VK und SR die Kontrolle darüber richtig ausgeübt haben.

Das ist von der Flughöhe absolut korrekt: Der GSR konzentriert sich auf die Strategie, gibt Vorgaben für die Umsetzung, die Umsetzung erfolgt durch SHP mit Kontrolle durch VK und SR.

Der GSR behält über die jährliche Rechenschaftsablegung die Kontrolle. Das ist stufengerecht.

Diejenigen, die jetzt verlangen, dass jede Ausgabe über 1 Mio. für den Bau oder die Erweiterung eines Wärmeverbunds immer nochmals in den GSR kommen muss, müssen sich schon die Frage gefallen lassen, was sie in diesen Fällen dann noch politisch diskutieren wollen. Oder geht es da einfach darum, die Dekarbonisierung zu verzögern?

Denn die massgeblichen politischen Entscheide sind bereits mit dem Versorgungsauftrag gefällt worden.

Und der GSR ist ein politisches Gremium und nicht wie die VK ein Gremium, das nach fachlichen Kriterien entscheidet.

Mit der Zuwahl von 3 Fachpersonen haben Sie ja vor kurzem die VK für solche Entscheide bewusst verstärkt.

Also haben Sie jetzt doch auch etwas Vertrauen in unsere Fachleute von SHP, in die VK und den SR und geben Sie ihnen auch die nötige Verantwortung dafür, wie beim Rahmenkredit für Erneuerbare im Jahr 2011.