Stellungnahme des Stadtrats vom 08.03.2022 im Grossen Stadtrat zum Postulat „Ausstieg aus der fossilen Gasversorgung“ von Georg Merz

Mit seinem Postulat vom 8. März 2021 möchte Grossstadtrat Georg Merz, dass der Stadtrat prüft und aufzeigt, wie der Ausstieg aus der fossilen Gasversorgung vollzogen werden kann.

Der Stadtrat nimmt dazu wie folgt Stellung:

Zuerst zum Gasabsatz von SH POWER:

SH POWER lieferte im Jahr 2021 insgesamt 583 GWh Erdgas und Biogas an ihre Kunden und an andere Verteilnetze. Davon gingen 369 GWh an Kunden in der Stadt SH, was etwa 63% der Energiemenge beträgt. Davon waren ca. 10% Biogas. Der Anteil Prozessgas für industrielle Anwendungen betrug ca. 15%. In der Regel liegt dieser höher bei ca. 20%.

Zum klima- und energiepolitischen Kontext:

Der Bund hat sich 2017 dem Übereinkommen von Paris angeschlossen und sich zu einer sukzessiven Reduktion der globalen Treibhausgasemissionen verpflichtet.

Bis 2050 soll die Schweiz nicht mehr Treibhausgase ausstossen, als natürliche und technische Speicher aufnehmen können.

Innerhalb von 30 Jahren möchte der Bundesrat also das Ziel von Netto-Null-Emissionen erreichen.

Die Stadt Schaffhausen hat als erste Energiestadt Europas bereits vor rund 30 Jahren eine Pionierrolle in der Energie- und Klimapolitik übernommen und setzt sich seither für eine effiziente Nutzung von Energie, erneuerbare Energien und Klimaschutz ein.

2019 hat sich die Stadt auch im Rahmen der SH POWER Eignerstrategie dafür ausgesprochen, zukünftig vor allem auf erneuerbare Energien zu setzen. Und auch in den Legislaturschwerpunkten 2021-2024 ist die Reduktion der Treibhausgasemmissionen in den stadträtlichen Zielen verankert.

Aktuell befindet sich die Klimastrategie der Stadt Schaffhausen in Ausarbeitung, die neben weiteren konkreten Zielsetzungen auch Massnahmen zur Zielerreichung definieren wird. Die Potenziale für eine Reduktion der Treibhausgasemissionen in der Schweiz liegen vor allem im Wärmebereich, da hier der fossile Anteil noch immer bei rund 80% liegt. In der Stadt Schaffhausen beträgt er noch 83%. Wird die Prozesswärme für Industrie und Gewerbe herausgerechnet, ergibt sich der fossile Anteil des Wärmebedarfs der privaten Haushalte, der bei uns noch bei 76% liegt. Also haben wir auch in Schaffhausen ein sehr grosses Potenzial für eine Transformation hin zu einer fossilfreien Komfortwärmeversorgung, mit der jedes Jahr hunderte Tonnen CO2 reduziert werden können. 

Die Stadt hat die Grundlagen für die Reduktion der Treibhausgasemissionen im Wärmebereich und die schrittweise Umstellung auf erneuerbare Energieträger im Energierichtplan festgehalten. Darauf basierend ist die Rahmenkreditvorlage für die Versorgung der Stadt Schaffhausen mit Wärme und Kälte entstanden, welche die Stimmberechtigten am 28. November 2021 genehmigt haben.

Der Rahmenkredit ermöglicht die notwendigen Investitionen in Wärmeverbünde für einen schrittweisen Ausbau der Wärmeversorgung aus erneuerbaren und lokal verfügbaren Energiequellen. Damit soll der Bevölkerung eine Alternative zur Wärmeversorgung mit Gas angeboten werden.

Zusammen mit dem Kanton unterstützt die Stadt Schaffhausen zudem die Eigentümer bei der Steigerung der Energieeffizienz durch eine Gebäudesanierung. Das gilt auch für Anschlüsse an einen mit erneuerbaren Energien betriebenen Wärmeverbund (Zusatzbeitrag der Stadt: 50% zu den kantonalen Fördermitteln). Nach der Ablehnung des CO2-Gesetzs wird auch auf Bundesebene ein neuer Anlauf für eine zusätzliche Förderung von Wärmeverbünden in den Gemeinden angestrebt. Die Aussichten dafür stehen gut. Auch die finanzielle Unterstützung der Städte für den Rückbau der Gasnetze ist auf Bundesebene ein Thema. Der SR setzt sich in den massgeblichen Gremien auf nationaler Ebene dafür ein.

Angesichts dieses energiepolitischen Umfelds stellt sich die Frage nach der Zukunft der städtischen Gasversorgung. Deshalb hat SH POWER im Frühjahr 2021 zusammen mit einem externen Ingenieurunternehmen die Erarbeitung einer sogenannten Gas-Zielnetzplanung in Angriff genommen.

Die konkreten Absichten mit der Zielnetzplanung Gas sind folgende:

–    Der Erneuerungsbedarf des Netzes ist bekannt.

–    Die Auswirkungen verschiedener Politik-Szenarien auf den Gasabsatz werden geographisch differenziert aufgezeigt.

–    Die langfristige Entwicklung des Netzentgeltes wird als Indikator für die  Konkurrenzfähigkeit der Gasversorgung geographisch differenziert abgeschätzt.

–    Mögliche Zielnetze des Gasverteilnetzes werden definiert und beschrieben.

–    Kennzahlen zur Abschätzung der betriebswirtschaftlichen Auswirkungen im Geschäftsfeld Gas liegen vor.

Mit ihr sollen die Entscheidungsgrundlagen zur Zukunft der Schaffhauser Gasnetze geschaffen werden. Dies insbesondere unter Berücksichtigung der bestehenden und geplanten Wärmeverbünde, betriebswirtschaftlicher Aspekte (Amortisation der Leitungsnetze) und der notwendigen Vorlaufzeit, welche bestehende Gaskunden benötigen, um sich für eine Investitionen in eine alternative Wärmeversorgung ihrer Liegenschaft zu entscheiden.

Die Verwaltungskommission der städtischen Werke SH POWER und der Stadtrat werden bei ihren Entscheiden über die Zielnetzplanung – in Kenntnis der Fakten – auch die finanziellen Auswirkungen für die Stadt und für die Kundinnen und Kunden zu berücksichtigen haben. Dazu gehört auch eine Beurteilung der politische Lage: Das kriegerische Gebaren von Russland zeigt, dass wir bei der Energieversorgung unabhängiger vom Ausland werden und deshalb noch schneller die Produktion der erneuerbaren Energien vorantreiben müssen.

Nur ist das leider nicht so schnell möglich. So lange aber müssen wir als Grundversorger immer auch die Versorgungssicherheit unserer bestehenden Gaskunden gewährleisten, wozu uns auch der Versorgungsauftrag des Grossen Stadtrats vom 21.02.2006 verpflichtet. Es ist davon auszugehen, dass das Gasnetz redimensioniert und an die zukünftigen Bedürfnisse angepasst werden muss. Es ist absehbar und richtig, wenn fossiles Gas künftig nur noch dort eingesetzt, wo keine erneuerbaren Alternativen bestehen. Zu denken ist hier an die Verwendung als Prozessenergie in der Industrie oder die Spitzendeckung in Wärmeproduktionsanlagen von Wärmeverbünden.

Bei der Komfortwärmeversorgung privater Haushalte bestehen einerseits erneuerbare Alternativen und andererseits brauchen Neubauten – aufgrund der zukunftsweisenden Bauweise – sowieso weniger Wärme. Der verbleibende Bedarf soll ausschliesslich über erneuerbare Energien abgedeckt werden.

Es ist offensichtlich: Weltweit und auch in der Schweiz ist einiges in Bewegung in der Klima- und Energiepolitik und im Geschäftsfeld der Energieversorgung. Die Richtung ist dabei klar: Die Zukunft liegt bei den erneuerbaren Energieträgern und einer effizienteren Nutzung der Energie. Was den Weg dahin betrifft, gibt es noch diverse Fragen zu klären und Weichen zu stellen.

Von den strategischen Zielsetzungen, die auch mit der noch ausstehenden Klimastrategie beeinflusst werden, über die Erneuerung des Energierichtplans und die geplanten Wärmeverbünde bis zur Zielnetzplanung arbeiten wir auch in der Stadt Schaffhausen an der Energiezukunft mit.

Der Stadtrat ist deshalb bereit, das Postulat entgegenzunehmen und dem Grossen Stadtrat zu gegebener Zeit wieder Bericht zu erstatten über die Zukunft der Gasversorgung und den Ausstieg aus fossilen Energieträgern bei der Bereitstellung der Komfortwärme für private Haushalte.