Stellungnahme des Stadtrats vom 19.09.2023 zum Postulat von Martin Egger im Grossen Stadtrat

Mit Datum vom 7. März 2023 hat Grossstadtrat Martin Egger (FDP) eine Motion zum Thema Kompetenzen des Grossen Stadtrats im Grossen Stadtrat eingereicht.

Der Stadtrat nimmt wie folgt Stellung:

Grossstadtrat Martin Egger schlägt eine Anpassung der Stadtverfassung vor, mit welcher bei Nichterreichen einer 4/5-Mehrheit im Grossen Stadtrat zwingend die Stimmbevölkerung über Gemeindeerlasse (Verordnungen) befinden muss.

Damit würde die Stadt einer Regelung folgen, welche der Kanton Schaffhausen bei der Beratung von Gesetzen im Kantonsrat kennt.

Das ist aber nicht korrekt: Beim Kanton unterstehen alle Gesetzesänderungen dem obligatorischen Referendum. Nur bei einer Zustimmung von 4/5 der Mitglieder des Kantonsrats kann eine Volksabstimmung vermieden werden.

Bereits heute unterstehen alle Gemeindeerlasse (Verordnungen), welche der Grosse Stadtrat beschliesst, dem fakultativen Referendum.

Das heisst 600 Stimmberechtigte können in jedem Fall eine Volksabstimmung erzwingen. Dieses Instrument des «fakultativen Referendums» hat in der Stadt Schaffhausen eine lange Tradition.

Seit dem Jahr 1918 ist die Anzahl erforderlicher Unterschriften unverändert geblieben, obwohl sich die Bevölkerung seither mehr als verdoppelt hat. Damit ist die Hürde für eine Volksabstimmung sukzessive tiefer geworden. Auch bei der Revision der Stadtverfassung im Jahr 2011 wurde diese Regelung beibehalten, damit 600 Stimmberechtigte relativ einfach eine Volksabstimmung verlangen können.

Diese Hürde ist im nationalen Vergleich extrem tief.

In den vergangenen Jahren ist es nie vorgekommen, dass bei einem fakultativen Referendum die erforderliche Anzahl Unterschriften nicht erreicht wurde.

Gerade bei umstrittenen Vorlagen, mit welchen Grossstadtrat Egger argumentiert, dürfte das Erreichen von 600 Unterschriften besonders einfach sein.

Es lässt sich also kaum mit einer zu hohen Hürde für Volksabstimmungen argumentieren.

Mit der von Grossstadtrat Egger vorgeschlagenen Regelung wären jedoch zahlreiche weitere Gemeindeerlass zur Volksabstimmung gelangt, ohne dass Stimmberechtigte eine solche verlangt hätten.

Dadurch hätte es allein in den letzten vier 2 Jahren neun zusätzliche Volksabstimmungen gegeben, darunter zum Erlass einer Mehrwertabgabeverordnung (2022), zur Verordnung über die Ausrichtung städtischer Sonderbeiträge an die Kosten des Musikunterrichts (2021) oder zur Revision der Verordnung über die Gebühren im Baubewilligungsverfahren (2020).

Lediglich ein Erlass (Verordnung über den Versorgungsauftrag an die Städtischen Werke Schaffhausen SH POWER betreffend die Versorgung der Stadt Schaffhausen mit Wärme und Kälte) wäre ohne obligatorische Volksabstimmung ausgekommen.

Diese zusätzlichen Volksabstimmungen hätten zudem zu erheblichen Aufwänden, Zusatzkosten und zeitlichen Verzögerungen geführt.

Die Kosten für ein Abstimmungswochenende belaufen sich auf ca. 25‘000 bis 30’000 Franken.

Mehraufwände fallen bei städtischen Abstimmungen beispielsweise für die Personalkosten der Verwaltung zur Erstellung des Abstimmungsmagazins, Sitzungsgelder für Sitzungen des Büros des Grossen Stadtrats, Druck der Abstimmungsmagazine und Stimmzettel sowie Inserate an.

Die tiefe Hürde von seit über 100 Jahren unveränderten 600 Unterschriften für ein fakultatives Referendum und die Tatsache, dass ein solches in den letzten Jahren nie an der Anzahl Unterschriften gescheitert ist, lassen keinen Handlungsbedarf erkennen, welcher den Zusatzaufwand für obligatorische Volksabstimmungen zu weniger umstrittenen Gemeindeerlassen rechtfertigen würde.

Im Übrigen ist der Grosse Stadtrat gemäss geltender Stadtverfassung berechtigt, seine Beschlüsse freiwillig dem Volk zu unterbreiten.

Zum demokratiepolitischen Argument: Wenn Volksabstimmungen inflationär werden, wird das den positiven Effekt der zusätzlichen Mitsprache, die damit gewonnen wird, überkompensieren.

Darum sollen nur bedeutende resp. umstrittene Vorlagen zwingend einer aufwändigen Urnenabstimmung unterzogen werden.

Sonst wird auch die Bedeutung des Parlaments entwertet.

Dasselbe gilt für die wichtige Kommissionsarbeit und die Bereitschaft, Kompromisse einzugehen.

Denn eine kleine Minderheit von acht Grossstadtratsmitgliedern könnte stets ein obligatorisches Referendum erzwingen.

Zudem ist zu befürchten, dass eine solche Regelung vermehrt taktisches Abstimmungsverhalten im Rat fördern würde.

Gestützt auf diese Ausführungen beantragen wir die Nichtüberweisung der Motion.