Stellungnahme des Stadtrats in der Sitzung des Grossen Stadtrats vom 31.10.2023

Mit Datum vom 24. Januar 2023 hat Grossstadträtin Livia Munz ihr Postulat betreffend Einführung eines vorgeburtlichen Mutterschutzes eingereicht. Dieser solle freiwillig sein und den 16-wöchigen Mutterschaftsurlaub nach der Niederkunft nicht tangieren. 

Der Stadtrat nimmt wie folgt Stellung:  

Heute haben Mitarbeiterinnen der Stadt Schaffhausen bei Schwangerschaft und Mutterschaft Anspruch auf einen bezahlten Urlaub von vier Monaten, sofern das Arbeitsverhältnis bis zur Geburt über neun Monate gedauert hat. In Absprache und auf ausdrücklichen Wunsch der Mitarbeiterin, kann der Mutterschaftsurlaub schon zwei Wochen vor dem prognostizierten Geburtstermin beginnen. Dieser Vorbezug geht dann aber zu Lasten des regulären Mutterschaftsurlaubes. 

In der medizinischen Fachwelt ist unbestritten, dass eine möglichst stressfreie Vorbereitung auf die Geburt entscheidend ist für den Geburtsverlauf und die Gesundheit von Mutter und Kind. Die Realität ist, dass heute sehr viele werdende Mütter schon vor der Geburt krankgeschrieben werden. Gemäss einer Studie des Bundes sind zwei Wochen vor Geburt rund 70% der schwangeren Frauen krankgeschrieben. Bei der der Stadt Schaffhausen ist dieser Anteil in etwa gleich hoch oder sogar etwas höher. Die Erwartung, dass Frauen bis zur Geburt arbeiten sollen und können, ist für viele Frauen schlicht nicht realistisch und aus gesundheitlicher Sicht nicht haltbar – weder für die Frau, noch für das Kind.  

Vor diesem Hintergrund laufen in diversen Städten und Kantonen in der Schweiz Bestrebungen, zusätzlich zum Mutterschaftsurlaub einen vorgeburtlichen Mutterschutz einzuführen. So etwa in Thun, Luzern, Basel Stadt, Burgdorf, Winterthur oder auch beim Kanton Schaffhausen, wo im Januar 2023 eine entsprechende Motion vom Kantonsrat überwiesen worden ist. 

Im europäischen Vergleich nimmt man mit einer solchen Regelung freilich alles andere als eine Vorreiterrolle ein. Der vorgeburtliche Mutterschutz ist sonst auf dem ganzen Kontinent Realität, in den meisten Fällen allerdings mit deutlich grosszügigeren Regelungen als die 3 Wochen, welche vielerorts in der Schweiz zur Diskussion stehen. So erhalten werdende Mütter in Deutschland 6 Wochen vorgeburtlichen Mutterschutz, in Österreich 8 und in Grossbritannien sogar 11 Wochen. Die Schweiz nimmt hier keine sehr familienfreundliche Sonderrolle ein. Sie kennt als einziges Land in Europa keinen solchen Mutterschutz vor der Geburt. Theoretisch arbeiten Frauen bis zur Geburt – es sei denn, sie werden vorher krankgeschrieben oder beziehen Ferien. 

Die Einführung eines 3-wöchigen vorgeburtlichen Mutterschutzes würde auch für die Stadt handfeste Vorteile bringen: 

  • Diese liegen erstens in der besseren Planbarkeit für Stellvertretungen und das Abschliessen und Übergeben von Arbeiten. 
  • Zudem würde eine Regelung einen Beitrag zur Arbeitgeberattraktivität leisten, zumal sich die Stadt die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie in den Legislaturzielen 2021-2024 auf die Fahne geschrieben hat. Hier hat die Stadt als öffentliche Arbeitgeberin auch eine Vorbildrolle inne. 
  • Nicht zuletzt lässt sich mit dieser Regelung dem Stigma, vor dem errechneten Geburtstermin mit dem vermeintlichen Vorwand der Schwangerschaft «krank zu machen», entgegenwirken. 
  • Das wichtigste Argument bleibt aber natürlich die Gesundheit von Mutter und Kind. 

Diese personalrechtlichen Neuerung würde zudem keine Mehrkosten für die Stadt verursachen, da bereits heute die Kosten für die krankgeschriebenen Mitarbeitenden von der Stadt getragen werden. Die KTG springt erst nach 90 Tagen Krankheit ein. Es spricht also auch finanziell nichts gegen eine solche Regelung. 

Aus all diesen Gründen erachtet der Stadtrat einen vorgeburtlichen Mutterschutz als sinnvoll. Der Stadtrat stellt sich diesen für die Stadt Schaffhausen wie folgt vor: 

Der vorgeburtliche Mutterschutz soll nicht verpflichtend sein und soll drei Wochen dauern, da zu diesem Zeitpunkt viele Frauen bereits krankgeschrieben sind und die Niederkunft auch jederzeit eintreffen kann. Auch in den meisten anderen Städten wird eine Dauer von 3 Wochen diskutiert bzw. eingeführt. Zudem geht der Mutterschutz nicht zulasten des regulären Mutterschaftsurlaubes und die volle Lohnfortzahlung ist gewährleistet, da die werdenden Mütter ansonsten schlechter gestellt würden als bei einer Krankschreibung. 

Sehr geehrte Grosstadträtinnen und Grossstadträte, Sie sehen: Das Postulat rennt beim Stadtrat offene Türen ein und so ist der Stadtrat gerne bereit, es entgegenzunehmen. 

(Der Grosse Stadtrat hat das Postulat mit 20 : 13 Stimmen an den Stadtrat überwiesen.)