Stellungnahme des Stadtrats zum Postulat „Kein städtisches Geld für VSG-Greenwashing!“

Sitzung des Grossen Stadtrats 22.03.2022

Mit seinem Postulat vom 11. Mai 2021 fordert Grossstadtrat Matthias Frick den Stadtrat auf, auf Beiträge an Interessenorganisationen zu verzichten, welche im Widerspruch mit übergeordneten städtischen Zielen stehen, wobei er auf den Verband der Schweizerischen Gasindustrie (VSG) fokussiert.

Gerne fasse ich zu Beginn kurz die massgeblichen Rahmenbedingungen im Energie- und Klimabereich, auf die ich ja schon beim Postulat Merz eingegangen bin, zusammen:

Wie Sie wissen, hat sich der Stadtrat wiederholt zu übergeordneten energie- und klimapolitischen Zielsetzungen wie dem Pariser Abkommen oder der Energiestrategie 2050 bekannt, so dass ich an dieser Stelle nicht mehr näher darauf eingehen muss.

Mit seinem Anschlusskonzept zur kantonalen Energiepolitik für die Periode 2018 – 2030 legt der Kanton den Fokus auf die Reduktion der CO2-Emissionen. Ende 2020 hat er seine Klimastrategie vorgelegt, mit der er die Herausforderungen beim Klimaschutz und der Klimaanpassung mittels Massnahmen angehen will. Am 24.01.2022 hat der Kantonsrat einer nachhaltigen Finanzierung der Massnahmen über einen Klimafonds klar zugestimmt. Mangels 2/3-Mehrheit wird es noch zu einer Volksabstimmung kommen.

Auf der lokalen Ebene verweise ich auf unsere Legislaturschwerpunkte 2021-24, Schwerpunkt 4, «Nachhaltige Umwelt- und Energiepolitik», wo wir uns u.a. zu einer umweltfreundlichen, lokalen Energieversorgung und zur Reduktion der Treibhausgasemissionen bekennen. Wie zahlreiche weitere Schweizer Städte und Gemeinden hat die Stadt Schaffhausen 2020 die «Klima- und Energie-Charta» unterzeichnet. Diese Charta vereint die unterzeichnenden Städte in einem gemeinsamen Bekenntnis zu einem engagierten und wirkungsvollen Klimaschutz. Aktuell erarbeitet die Stadt eine Klimastrategie. Und mit der Rahmenkreditvorlage für die Versorgung der Stadt Schaffhausen mit Wärme und Kälte, welcher die Stimmberechtigten am 28. November 2021 zugestimmt haben, wurde in Umsetzung des Versorgungsauftrags Wärme und Kälte zudem die Voraussetzung geschaffen für eine Wärmeversorgung aus erneuerbaren und lokalen Energiequellen und damit für eine Alternative zu fossilen Heizungen.

Nun zum VSG: Wer ist der VSG? Der Verband der Schweizerischen Gasindustrie VSG vertritt national und international die branchen- und energiepolitischen Interessen der Schweizer Gaswirtschaft. Eines der Hauptziele der Branche ist, die Gasversorgung bis 2050 zu dekarbonisieren. Im Verband, der 1920 gegründet wurde, sind rund 90 Gasversorgungsunternehmen zusammengeschlossen, die sich mehrheitlich in öffentlicher Hand befinden. Der VSG unterstützt seine Mitglieder in den Bereichen Energiewirtschaft und -politik, Innovation und Forschung, Kommunikation, Aus- und Weiterbildung sowie Öffentlichkeitsarbeit. Der Verband hat seinen Sitz in Zürich und verfügt über eine Niederlassung in Lausanne.

In der aktuellen Krisensituation wegen des Kriegs in der Ukraine übernimmt der VSG in der Taskforce des Bundes eine wichtige koordinierende Rolle für alle Mitglieder. Er stellt die dialoggruppenorientierte Kommunikation für die Energieversorger und ihre Kunden sicher. SH POWER war in diesem Zusammenhang froh, auf diese Ressourcen und das Know How des VSG zurückgreifen zu können. Daraus ergaben sich auch die Antworten auf viele Kundenanfragen, welche auf der Homepage von SH POWER aufgeschaltet sind. Zudem vertritt der VSG die Branche in einer in Aufbau befindlichen Projektorganisation des Bundes, welche sich dem Thema Beschaffung für den Winter 2022/23 annehmen wird.

Bei den Schweizer Gasversorgern und auch beim VSG ist die Zeit nicht stehen geblieben. Die Schweizer Gaswirtschaft und der Verband, in dem sie organisiert ist, bekennen sich zum Ziel des Bundesrats, im Rahmen des Pariser Übereinkommens bis zum Jahr 2050 die Klimaneutralität (Netto-Null-Emissionen) zu erreichen. Wenn der VSG sich gegen diese Zielsetzungen positionieren würde, gäbe das eine grosse Austrittswelle, weil die meisten der 90 Mitglieder Versorgungsunternehmen von Städten und Gemeinden sind, die sich alle klar zur Netto-Null Zielsetzung des Bundes bekannt und sich auf diesen Weg begeben haben. Eine solche Austrittswelle ist aber nicht im Gang. Die IWB ist das einzige Stadtwerk, das aus dem VSG ausgetreten ist und ich kenne kein anderes Werk, das diese Absicht zurzeit hegt. 

Es ist mittlerweile allgemein anerkannt, dass der Anteil des in der Energieversorgung verwendeten Gases deutlich sinken muss, wenn zunehmend und dereinst ausschliesslich erneuerbares Gas eingesetzt werden soll. Das gilt insbesondere bei der Komfortwärme von Wohnbauten. In Zukunft soll deshalb Gas nur noch dort verwendet werden, wo keine erneuerbaren Alternativen bestehen. Diese Zielsetzung macht auch mit Blick auf die wichtigsten Herkunftsländer fossiler Brennstoffe und der kriegerischen Aggression Russlands als eines dieser Länder sehr viel Sinn. Im Vordergrund stehen dabei die Verwendung als Prozessenergie für industrielle Anwendungen und als Spitzendeckung in Wärmeproduktionsanlagen von Wärmeverbünden. Neben einer Wasserkraftreserve soll klimakompensiertes Gas ab 2025 gemäss Bundesrat auch als Backup mithelfen, Strommangellagen zu verhindern, sozusagen als Versicherungslösung für den Notfall. 

Der Einsatz in Gas-Direktheizungen ist durch das revidierte Baugesetz des Kantons SH seit April 2021 stark eingeschränkt worden. Die Versorgung mit Komfortwärme soll so schnell als möglich von Wärmeverbünden übernommen werden. Die bei SH POWER momentan laufende Zielnetzplanung Gasnetze analysiert, welche Rolle die Gasnetze von SH POWER in Zukunft noch spielen werden. Das Gasnetz wird redimensioniert und an die zukünftigen Bedürfnisse angepasst werden müssen. Insbesondere in Gebieten mit hoher Wärmedichte, in denen Lösungen mit erneuerbaren Energien als zukünftige Wärmelösung möglich sind, dürfte sich ein Rückbau der Gasnetze abzeichnen. Aber auch in weniger dichten besiedelten Gebieten, in denen primär Wohnungsnutzungen versorgt werden, wird das Aufrechterhalten resp. die Erneuerung der Gasleitungsnetze hinterfragt werden müssen.

Es ist also klar, dass die Versorgung mit Komfortwärme über fossiles Gas verschwinden wird, und das ist angesichts der grossen Herausforderung zur massiven Reduktion des CO2-Ausstosses nicht nur wünschbar, sondern dringend nötig.

Wir können den Gashahn aber noch nicht heute zudrehen, sonst müssten sehr viele Einwohnerinnen und Einwohner der Stadt in ihren Wohnräumen frieren. Dasselbe gilt für die Gemeinden Neuhausen, Beringen, Schlatt, Thayngen, Feuerthalen, Flurlingen und Stetten, die von SH POWER beliefert werden und die über das Schicksal ihrer Gasversorgung mitentscheiden.

Noch sind wir also auf fossile Gase angewiesen, ob wir das gut finden oder nicht und die Dekarbonisierung wird mindestens 15 – 25 Jahre dauern. Daran ändert auch ein Austritt von SH POWER aus dem VSG nichts.

SH POWER überprüft ihre Mitgliedschaften in Branchenverbänden und Organisationen regelmässig im Hinblick auf Zweckmässigkeit und Nutzen. Denn das Unternehmen kann – auch aus betriebswirtschaftlichen Gründen – kein Interesse daran haben, Mitgliedschaften in Organisationen zu finanzieren, die ihm nichts bringen.

Auch die Mitgliedschaft im VSG wird periodisch überprüft. Aufgrund der vorwerwähnten Abhängigkeit vom Gas, ist sie für die Gasversorgung der Stadt weiterhin nützlich und sinnvoll (Kosten: ca. Fr. 60’000 pro Jahr).

Warum? Der Verband arbeitet schon länger an der Dekarbonisierung der Gasversorgung, weil auch er sich nach den übergeordneten Rahmenbedingungen ausrichten muss. Es ist heute sogar eines der Hauptziele des VSG. Er unterstützt tatkräftig Forschungs- und Pionierprojekte im Bereich erneuerbarer Gase, fördert deren Produktion und prüft zukünftige Einsatzbereiche von Wasserstoff. Mitgliedsunternehmen profitieren von den Ergebnissen dieser Forschung und von weiteren wertvollen Dienstleistungen (z.B. Beurteilung von Marktentwicklungen). Die Mitgliedschaft im VSG dient der Gasversorgung Schaffhausen auch zum Austausch und zur Einflussnahme im Hinblick auf die notwendige Umgestaltung der Wärmeversorgung sowie auf die regulatorischen Rahmenbedingungen z.B. im Zusammenhang mit der anstehenden Öffnung des Gasmarktes oder bei der Frage der Zollbefreiung von importiertem Biogas.

Der Postulent erwähnt in seinem Vorstoss auch die Erdgas Ostschweiz (EGO) AG.

Die EGO AG ist eines von fünf regionalen Erdgasversorgungs­unternehmen in der Schweiz. Die Stadt Schaffhausen ist mit 4.88% Anteil Miteigentümerin dieser AG. Das Unternehmen transportiert das für die Gasversorgung benötigte Erdgas und Biogas zu den lokalen Gasversorgern und Direktkunden in der Ostschweiz. Dabei stellt sie insbes. die Versorgungssicherheit der Gasverteilneteze in den Mittelpunkt, indem Notfallszenarien durchgespielt werden und entsprechende Regelwerke für alle nachgelagerten Gasversorgungunternehmen wie auch die SH POWER definiert werden. Die EGO braucht es, solange Kundinnen und Kunden von SH POWER in der Stadt und in den von SH POWER belieferten Gemeinden auf Erdgas und Biogas angewiesen sind. Zu erwähnen ist an dieser Stelle auch, dass SH POWER für die Gasversorgung nach wie vor einen vom Grossen Stadtrat am 21. Juni 2006 verabschiedeten Versorgungsauftrag hat. Dieser kann angepasst werden, sobald den Kundinnen und Kunden Alternativen für die Komfortwärmeversorgung angeboten werden können. Dies wird u.a. dank den Wärmeverbünden möglich sein, für deren Ausbau die Stimmberechtigten der Stadt am 28. November 2021 einen Rahmenkredit bewilligt haben. Der vollständige Umbau der Wärmeversorgung wird aber mindestens 15 – 25 Jahre dauern.

Ich komme zum Schluss und damit auch zum Fazit:

Die Versorgung mit fossilem Gas zur Erzeugung von Komfortwärme in Wohnräumen ist zwar ein Auslaufmodell, aber noch ist es leider nicht soweit, dass wir es zeitnah durch erneuerbare Energieträger ablösen können. Daran ändert auch ein Austritt aus dem VSG nichts. Es wäre reine Symbolpolitik zum Schaden von SH POWER. Das Unternehmen soll solange Mitglied im VSG und Aktionärin der Erdgas Ostschweiz AG bleiben können, wie Kundinnen und Kunden in unserer Stadt und den von uns belieferten Gemeinden auf die Gasversorgung angewiesen sind. Parallel dazu arbeiten wir weiterhin an der Dekarbonisierung der Energie- und Wärmeversorgung und der Umsetzung der übergeordneten klima- und energiepolitischen Ziele, die auch der VSG teilt.

Der Stadtrat empfiehlt dem Postulenten, seinen Vorstoss in eine Interpellation umzuwandeln. Andernfalls beantragen wir Ihnen, das Postulat nicht zu überweisen.