Bierliebhaber und Saunierer auf dem Bock

In diesem Jahr sitzt Michael Mundt im Kantonsratssaal zuvorderst in der Mitte: auf dem Platz des Grossstadtratspräsidenten. Bild: Melanie Duchene/Schaffhauser Nachrichten

Stadtrat gratuliert Grossstadtrat Michael Mundt zur Wahl als Grossstadtratspräsident

Lieber Michael, liebe Kolleginnen und Kollegen, geschätzte Gäste

Bevor ich zum frischgewählten Präsidenten komme, möchte ich mich auch im Namen des Stadtrats bei Nathalie Zumstein ganz herzlich für ihre Ratsleitung im 2022 bedanken.

Sie hat das effizient, unparteiisch und respektvoll gemacht und sie hat etwas geschafft, das den meisten Ratspräsidentinnen und -präsidenten vergönnt bleibt, sie hat es nämlich bis in die nationalen Medien geschafft.

Und nun zum neugewählten Ratspräsidenten:

Im Namen der Stadt gratuliere ich Grossstadtrat Michael Mundt ganz herzlich zur ehrenvollen Wahl ins Amt als höchster Stadtschaffhauser.

Als 37-Jähriger gehört er eher zu den jüngeren Politikern auf dem Bock.
Früher ist dieses Amt langverdienten Kommunalpolitikern vorbehalten geblieben, sozusagen als Krönung und Abschluss ihrer Laufbahn.

Das kann man bei Michael kaum sagen. Er ist der jüngste Vertreter der SVP im Rat, der einzige übrigens unter 50.

Als Kantonsrat tanzt er bekanntermassen auf verschiedenen Hochzeiten und er hat sich auch schon als Stadtrats- und als Nationalratskandidat versucht.

Beim Studium seiner politischen Laufbahn sind mir erstaunliche Parallelen zu mir aufgefallen. Keine Angst, es geht nicht um politische Inhalte, ich bleibe also der SP erhalten.
Einerseits ist Michael wie ich Bierliebhaber, was ihn mir natürlich sehr sympathisch macht.

Und speziell: seine politische Laufbahn ähnelt stark meiner eigenen:
So ist er 2017, also mit 32 Jahren, in den GSR nachgerückt, ich 1993 mit 31.
2019, also mit 34 Jahren hat er chancenlos für den Stadtrat kandidiert.
Mir ist das 1996 passiert, ebenfalls mit 34.
Und 2023, also mit 37, wird er nun Grossstadtratspräsident.
Bei mir war das 2001 mit 39.
Nun wird es spannend sein zu sehen, wie es mit ihm weitergeht und, ob die Parallelen anhalten…

Um mir ein Bild über Michaels Person machen zu können, habe ich mich beim Ratsbüro, das in den letzten Jahren ja eng mit ihm zusammengearbeitet hat, schlau gemacht.

Und die Einschätzungen sind bei allen sehr ähnlich: Höflich im Umgang, aber politisch hart in der Sache.

Man könnte das unter dem Begriff «weichgespülten Hardliner» zusammenfassen.

Die scheidende Präsidentin assoziiert mit ihm jedenfalls «Schirm, Scharm und Melone». Die älteren unter Ihnen wissen, was damit gemeint ist.
Offensichtlich hat Michi es geschafft, Natalie mit seinem Charme total für sich einzunehmen und dies, obwohl er ihr nicht selten sicht- und hörbar «in die Flanke gefahren» ist, wenn der Rat ihren Anweisungen mal wieder nicht folgen wollte.

Michael hat sich im GSR bisher vor allem auf die Arbeit in wichtigen und anspruchsvollen Kommissionen konzentriert.

Da hat er auch Spuren hinterlassen und konnte sicher auch von seinen beruflichen Kenntnissen und Erfahrungen als Banker profitieren.
Zu seinen Vorstössen: 2018 hat er mit seinem Postulat «Schaffhausen näher an den Rhein bringen» erfolgreich den Einbezug des Stadtparlaments bei der weiteren Arealentwicklung am Lindli verlangt.

Ansonsten waren das vor allem diverse Kleine Anfragen, welche die Handschrift des Parteisekretärs trugen – ein Amt, das er übrigens gemäss SVP-Homepage bis heute bekleidet – also Vorstösse, die nicht primär eingereicht werden, um sachliche Antworten des SR zu erhalten, sondern um politische Statements zu platzieren und den SR zu piesacken.

Ich bin aber überzeugt, dass Michael es schaffen wird, in seinem Präsidialjahr die Parteibrille abzulegen und sich der Unparteilichkeit zu befleissigen.

Zurück zu seiner wertvollen Kommissionsarbeit:
2017 – 2020 war Michael Mitglied in der FK Soziales,
2019 – 2020 sass er in der GPK und
2018 – 2020 wirkte er als Stimmenzähler,

bevor er von seiner Fraktion auf die Laufbahn geschickt wurde.

Er verfügt also über eine lange Rats- und auch Büroerfahrung.
Zudem war er Mitglied der SPK Revision der GO, so dass er auch mit der neuen GO vertraut sein sollte.

Darum ist der Stadtrat sehr zuversichtlich, dass er den Rat souverän durch das Jahr 2023 führen wird.

Nun erhält ja jeder frischgewählte Präsident des GSR von der Stadt ein Geschenk.
Dieses Jahr ist es einmal mehr etwas problematisch, denn wir haben ja gar kein rechtskräftiges Budget, mit dem wir ein solches Präsent finanzieren könnten und Michael ist als einer der Referendumsträger erst noch dafür mitverantwortlich.
Es stellen sich nun also ganz knifflige Rechtsfragen, wie diejenige, ob das nun eine Ausgabe nach Finanzhaushaltsgesetz ist, welche es dringend braucht, um die ordentliche Staatstätigkeit aufrecht erhalten zu können?
Das Problem ist nicht neu, wir hatten das schon bei der Präsidialfeier von Hermann Schlatter.
Darum sind wir gewappnet und unser Finanzreferent hat das natürlich antizipiert und die vbsh-Freifahrkarte für den neuen Ratspräsidenten noch im alten Jahr gebucht.

Dasselbe gilt für unser zweites Geschenk. Und hier knüpfen wir an einer Vorliebe des neuen Präsidenten an:

Wie wir unterdessen wissen, gehört er ja der berüchtigten «SVP-Saunagang» um Dani Preisig und Mariano Fioretti an, deren Volksverbundenheit darin zum Ausdruck kommt, dass sie den Kontakt mit ihren Wählerinnen und Wähler am liebsten im Adamskostüm suchen.

Um da nicht abzufallen und standesgemäss auftreten zu können, haben wir für Michael ein Outfit gesucht und es in Form eines Bademantels gefunden, der Bezug nimmt auf seine neue Funktion als höchster Stadtschaffhauser: Boss.

Natürlich gibt es den Stadtpin darauf und dazu noch ein städtisches Kühltuch, damit er einen kühlen Kopf wahren kann, auch wenn es einmal – wie in der Sauna – heiss her und zu gehen sollte.

Lieber Michael

Wir hoffen, dass Dir der Bademantel gute Dienste leisten wird und Du trotz vermehrten öffentlichen Verpflichtungen noch zum Saunieren kommen wirst.

Mit dem Bademantel sollte zumindest allen Saunagästen künftig klar sein, wen sie vor sich haben, auch wenn sie vom Aufguss noch etwas benebelt sind.

Der Stadtrat wünscht Dir ein erfolgreiches Präsidialjahr mit vielen spannenden Begegnungen als höchster Stadtschaffhauser und wir freuen uns auf eine kollegiale und konstruktive Zusammenarbeit.

Zukunft braucht Zusammenhalt

Wochenblatt Singen vom 09.01.2023 über den Neujahrsempfang der SPD Singen in der Färbe (Bernhard Grunewald, Singen)

Landtagsvizepräsident und SPD-Landtagsabgeordneter Daniel Born bei seiner freien Rede zum SPD-Neujahrsempfang am Sonntagabend in der „Färbe“.
Landtagsvizepräsident und SPD-Landtagsabgeordneter Daniel Born bei seiner freien Rede zum SPD-Neujahrsempfang am Sonntagabend in der „Färbe“.Foto: Grunewaldhochgeladen von Oliver Fiedler

Singen. Am Sonntag nach Dreikönig endet nicht nur die liturgische Weihnachtszeit, sondern mit der Taufe des Herrn im Jordan erfolgt die Offenbarung und Kundmachung an eine breitere Öffentlichkeit. In bester Tradition also lud der SPD-Ortsverein Singen nun seine Mitglieder und Gäste zum Neujahrsempfang an Epiphanie in die Färbe, mit der die älteste Partei am Ort seit deren Gründung besonders verbunden ist: Gerade zum damals schwierigen Beginn konnte die Existenz der Färbe nur durch beherztes Eingreifen von Sozialdemokraten wie Heinz Rheinberger und OB Friedhelm Möhrle finanziell gesichert werden.

Berthold Jörke, Vorsitzender des SPD-Ortsvereins, freute sich deshalb sichtlich in seiner Begrüßung: „Endlich wieder ein Neujahrsempfang in der Färbe!“ Er skizzierte 2022 als ein Jahr, welches besonders der jungen Generation lange in Erinnerung bleiben wird, kannte diese bislang Kriegsgeschehen nur aus Filmen. Doch es blieben nach dem Überfall auf die Ukraine noch weitere wichtige Themen wie hohe Mieten, Klimaschutz, Renten als Herausforderungen: „Zukunft braucht Zusammenhalt“, so Jörke.

Auch OB Bernd Häusler benannte den Kriegsbeginn am 24. Februar 2022 als „Herausforderung schlechthin“. „Der Krieg ist bei uns“, so Häusler, mit all seinen Auswirkungen auf die Preise und die Wertschöpfungskette. „Aber dank der Spenden konnten wir unseren Freunden in der Partnerstadt Kobeljaky mit einem weiteren Transport der Feuerwehr Engelsbrand über 1.400 Kilometer vor Weihnachten helfen“, so der OB, der ebenfalls auf einen Sieg der Ukraine hofft, denn sonst wäre es „eine Ermutigung für andere Diktatoren“! „Wir wollen keine Zerstörung“, so Häusler, „sondern miteinander leben, mit unseren Freunden in Europa.“

Häusler wünschte der neuen Färbe-Leitung unter Cornelia Hentschel viel Erfolg „nun unterm Kreuz“ an der Bühnenwand – die Stadt bleibe der Färbe gewogen, insbesondere die SPD-Fraktion, „und auch unsere Zuschüsse bleiben, um unsere Kultureinrichtungen zu halten“. Singen ist nach seinen Worten eine Stadt, die Menschen aufnimmt und sich mit hervorragenden Vereinen um sie kümmert, so beispielhaft der Verein Kinderchancen, welcher die Teilhabe von benachteiligten Kindern fördert, und der Verein inSi, der hervorragende Sozialarbeit leiste, um Menschen in der Stadt zu integrieren.

In Singen werde zwar weiterhin sichtbar gebaut, es entstünden neue Häuser und Wohnungen, darunter auch sozialer Wohnraum, zudem gäbe es „weitere Projekte in der Pipeline in den kommenden zwölf bis 14 Monaten“, auch durch Baugenossenschaften, aber der Mangel könne nur gelindert werden, allerorten sei weiterhin großer Druck im Thema Wohnraum, man müsse dranbleiben, so der OB.

Dies gelte auch für den Klimaschutz: Singen will 2035 klimaneutral sein. Alleine die Dekarbonisierung auch der Singener Industrie sei „eine Herkulesaufgabe“, die viel Geld brauche, aber Deutschland auch eine Vorreiterrolle ermögliche. Im Gesundheitsbereich gelte es die nächsten Jahre, „gemeinsam als Stadt, Gemeinderat und Verwaltung“ Lösungen für die weitere hausärztliche Versorgung zu suchen, um deren jüngere Nachfolge sicherzustellen.

Bei der aktuellen Suche nach einem zweiten Klinikstandort im Landkreis verwies Häusler auf die zentrale Rolle Singens „als Ziehmutter der Hegauregion“ und zweitgrößte Stadt mit 50.000 Einwohnern und weiteren 50.000 im Hegau Richtung Tengen – „unsere Wünsche und Forderungen sind ein Klinikstandort in Singen“.

Schaffhausens Stadtpräsident Peter Neukomm überbrachte herzliche Grüße des Schweizer Nachbarn, der ebenfalls mit den Kriegsfolgen kämpfe und darüber bisherige Versäumnisse in der Energieversorgung offengelegt habe, und attestierte Singen „Züricher Niveau“ bei seinen Klimazielen – Schaffhausen strebe nach Klimaneutralität bis 2050. Immerhin habe man wichtige Infrastrukturprojekte angepackt, darunter auch das Hallenbad, was grenzüberschreitend beliebt sei. Erneut geplant seien auch weitere gemeinsame Kulturveranstaltungen in guter nachbarlicher Tradition. „Freunde sind wie Sterne“, so Neukomm, „du kannst sie nicht immer sehen, aber die sind immer für dich da.“

SPD-Bundestagsabgeordnete Dr. Lina Seitzl, die sich insbesondere für die Themen Fachkräftemangel und Gesundheitsversorgung engagiert, verwies auf die historische Zeitenwende nach dem 24. Februar, als die Unterstützung der Ukraine in finanzieller, humanitärer, aber auch militärischer Hinsicht aufgenommen wurde, zudem „alles dafür getan wurde, um die Energieversorgung sicherzustellen“, was mit Beifall quittiert wurde. Sie erinnerte an bisherige große Entlastungspakete, um die Folgen der Inflation und hoher Preise vor allem für besonders Betroffene abzufedern, hob mit Blick auf die Modernisierung des Landes auch die Anhebung des Mindestlohnes auf zwölf Euro, die Erhöhung des Kindergeldes, des Wohngeldes, die Beschleunigung von Planungsverfahren und das kommende 49-Euro-Ticket hervor. All dies sei vor einem Jahr „nicht vorstellbar“ gewesen und es sei schon „gut, dass die SPD den Bundeskanzler stellt“.

Am 29. Januar finde der Neujahrsempfang der Kreis-SPD statt, am 17. Februar sei Bundes-Innenministerin Nancy Fäser in Konstanz zu Gast. Hans-Peter Storz, SPD-Landtagsabgeordneter, stellte für die Opposition in Stuttgart zwar sprudelnde Einnahmen in der Landeskasse fest, verlangt deshalb aber mehr Einstellungen von Lehrern und Schulsozialarbeitern, eine Überwindung der Stagnation bei der Krankenhausförderung, welche die SPD-geführte Landesregierung 2011 bis 16 massiv ausgebaut habe, und forderte „mehr ÖPNV, den Ausbau der Infrastruktur, insbesondere für die Gäubahn und die Schwarzwaldbahn“.

Hauptredner Daniel Born, Vizepräsident des Landtags Baden-Württembergs und SPD-Landtagsabgeordneter, seit Studienzeiten in Konstanz mit der Region verbunden, zitierte eingangs Marie Juchacz, legendäre Gründerin der Arbeiterwohlfahrt: „Neue Zeiten bringen neue Ideen, machen neue Kräfte mobil!“
Er erinnerte an die Hoffnung auf Frieden, die mit dem Mauerfall im November 1989 verbunden war: „Dieser Frieden ist nicht von alleine gekommen, sondern ausgehend vom Wandel durch Annäherung, das dürfen wir nicht vergessen.“ Putin habe aus imperialistischen Gründen ein unschuldiges Land überfallen, aber nicht mit dem Zusammenhalt in Europa, im westlichen Bündnis und auch bei uns gerechnet – „aber die Menschen fordern das, auch in den Kommunen“, dort müsse der Zusammenhalt beginnen.

In seiner frei vorgetragenen, beispielreichen Rede trat er für „noch mehr gesellschaftlichen Zusammenhalt über die verschiedenen Sozialkreise hinweg“ ein, was „nur in den Kommunen geht“. Dazu gehöre „Respekt im Umgang miteinander, Lust, die Meinung des anderen kennenzulernen“, vor allem auch dessen Würde und Talent zu achten sowie „eine breite Bildung in gebührenfreien Kitas, in Schule und Universität, um souverän und selbstbestimmt“ die Zukunft gestalten zu können. Gerade auf heute Geborene warte „ein Leben voller Veränderungen“.

Born warb für einen Diskurs miteinander und gegenseitige Wertschätzung, denn „vielleicht hat auch der Andere recht“. Stimmig umrahmt wurde der Neujahrsempfang von den Flötistinnen Vio Engel von der Jugendmusikschule Singen und Naomi Waczakowski, die in Trossingen unterrichtet wird.

SPD-Vorsitzender Berthold Jörke konnte mit Laudatorin Renate Brütsch und Claudia Wagner sowie Laudator Walafried Schrott sehr markante und verdienstvolle Jubilare des Singener SPD-Ortsvereins ehren: Ottokar Haug für 65 Jahre Treue zur SPD, Dietmar Johann für 60 Jahre Mitgliedschaft, Manfred Lehmann, Rolf Naudascher und Winfried Rieger für jeweils 50 Jahre Zugehörigkeit zur ältesten Partei Deutschlands.

Als Randregion sind wir im Nachteil

Interview zu Rück- und Ausbilck in den Schaffhauser Nachrichten vom 05.01.2023

Der Schaffhauser Stadtpräsident blickt zurück und nennt die Herausforderungen des kommenden Politikjahres, wie den Fachkräftemangel, ein Budgetreferendum, die Turbulenzen in seiner Partei und neue Verwerfungen in der Verkehrspolitik.

Interview: Mark LIebenberg

Herr Neukomm, ein ereignisreiches Jahr liegt hinter der Stadt Schaffhausen. Vor einem Jahr sagten Sie, die Stadt habe sich viel aufgeladen. Konnte alles gestemmt werden?

Peter Neukomm: Ich denke, wir haben einiges erreicht. Dazu zähle ich die Volksabstimmung über die Neugestaltung der Bahnhofstrasse, die Verabschiedung der Vorlage zum Hallenbadneubau im Grossen Stadtrat, die Erarbeitung der Vorlagen für Schulleitungen und für die Klimastrategie sowie das Sicherheitskonzept für den Munot. Und natürlich den sehr erfolgreichen Rechnungsabschluss 2021 sowie ein ausgeglichenes Budget 2023. Der Stadtrat hat im letzten Jahr 731 Beschlüsse gefasst, das ist doch eine eindrückliche Zahl!

In welchen Bereichen gab es Hindernisse oder Überraschungen?

Neukomm: Die sehr dünne Personaldecke und der Fachkräftemangel haben uns zu schaffen gemacht. Im Vergleich zu ähnlich grossen Städten sind wir personell sehr schlank aufgestellt, und uns ist bewusst, dass wir von unserem Personal viel verlangen. Als Randregion sind wir im Nachteil im Kampf um Fachkräfte und mit unseren Löhnen ebenso. Zurzeit haben wir 43 unbesetzte Stellen, davon allein 25 im Bereich der Altersbetreuung. Um konkurrenzfähig zu bleiben, müssen wir für das Personalmarketing schon heute massiv mehr ausgeben als früher. Es ist nicht mehr so, dass die Arbeitnehmer von selbst zur Stadt als Arbeitgeberin finden.

«Um konkurrenzfähig zu bleiben, müssen wir für das Personalmarketing schon heute massiv mehr ausgeben als früher.»

Zur Person

Peter Neukomm (SP) ist seit Januar 2015 Stadtpräsident von Schaffhausen. Mitglied der Schaffhauser Stadtregierung ist er bereits seit 2009. Bis 2014 amtierte er als ­Finanz- und Personal­referent. Von 1993 bis 2008 war er Mitglied des Grossen Stadtrates, den er 2001 präsidierte. Seit 2013 ist Neukomm zudem Mitglied des Schaffhauser Kantonsrats. Der Jurist ist 60 Jahre alt, verheiratet und hat drei Kinder.

Und der Stadtrat muss mit einem Budgetreferendum ins neue Jahr steigen. Was bedeutet das für die Planung, wie gross ist die Unsicherheit?

Neukomm: Meiner Meinung nach ist dies Gift vor dem Hintergrund unserer Rekrutierungsprobleme. Um konkurrenzfähige Löhne zu erreichen, muss die Stadt jetzt strukturelle Lohnanpassungen vornehmen können. Wir ziehen das nach, was der Kanton 2019 umgesetzt hat und hinken ihm nach wie vor hinterher, wie auch Studien belegen. Vor allem Mitarbeitende im Gesundheitsbereich würden von unseren Lohnmassnahmen profitieren. Klatschen allein hilft nicht, wenn wir auch künftig gelernte Pflegefachleute an den Betten unserer Senioren haben wollen.

Das Referendum richtet sich ja nun nicht in erster Linie gegen die Lohnanpassung von 4,5 Prozent, sondern eher dagegen, dass nicht auch bei den Steuern etwas geht …

Neukomm: Es soll ja etwas gehen, wir haben ein Steuerfussprozent weniger vorgeschlagen.

Das ist bescheiden, angesichts der gut 80 Millionen Überschüsse der letzten Jahre und des sehr hohen Eigenkapitals.

Neukomm: Es ist ein kleines Zeichen, ja. Mehr liegt aber auch nicht drin. Das Steuersubstrat jetzt um fast drei Millionen Franken pro Jahr herunterzuschrauben, wäre in meinen Augen grob fahrlässig. Wir sind vor allem wegen hoher Unternehmenssteuererträgen so gut unterwegs. Diese sind aber nicht wiederkehrend. Die Wirtschaftsprognosen sind nicht wirklich gut, man prognostiziert eine schwächelnde Konjunktur. Als ich vor drei Jahrzehnten in die Politik einstieg, hatten wir einen Steuerfuss von 112, heute sind wir bei 92! Es ist sehr schwierig, bei Bedarf den Steuerfuss wieder anzuheben, wie die Erfahrung zeigt. Dazu kommt, dass die Steuerzahlenden auch auf der Kantonsebene in den letzten Jahren stark entlastet worden sind.

Das ist eine sehr zurückhaltende, ja fast ängstliche Haltung. So gesehen dürfte man niemals die Steuern senken …

Neukomm: Inklusive dem aktuellen Budget haben wir die Steuern seit 2015 bereits um 6 Prozent gesenkt. Es gilt auch hier Mass zu halten. Wir sind zu einer vorausschauenden Steuerpolitik verpflichtet. Das schreibt uns das Finanzhaushaltsgesetz vor. Wir müssen so planen, dass wir die finanzielle Handlungsfähigkeit der Stadt erhalten. Ich erinnere daran, dass wir in den nächsten vier Jahren über 200 Millionen Franken in die öffentliche Infrastruktur investieren wollen. Und wir dürfen nicht riskieren, dass der Service public und die Infrastruktur unter einem zu tiefen Steuerfuss leiden. Das würde unsere Standort­attraktivität beeinträchtigen.

Ein Budgetreferendum wurde 2019 angenommen, 2021 ein Steuerfussreferendum abgelehnt. Wie stehen Ihrer Ansicht nach die Chancen diesmal?

Neukomm: Ich glaube, dass die Stimmberechtigten erkennen, dass wir ein gutes und ausgewogenes Budget vorgelegt haben. Bis dahin ist es natürlich suboptimal, ohne rechtskräftiges Budget starten zu müssen, aber die Stadt ist auch nicht ganz gelähmt. Es wird also keinen Baustopp geben beim Stadthausgeviert (lacht) .

Ihrer Partei, der stolzen SP Stadt, laufen zurzeit altgediente und prominente Politiker davon. Was denken Sie darüber?

Neukomm: Ich bedaure diese Abgänge sehr. Es sind Einzelpersonen, die jede ihre eigene Geschichte und ihre Beweggründe hat. Das muss ich nicht kommentieren.

Ihr langjähriger Fraktionspräsident Urs Tanner ortet einen «friendly Takeover» nach der Fusion mit der AL im letzten Frühling. Die ehemaligen AL-Leute geben nun den Ton an und stehen altgedienten Genossen vor der Sonne …

Neukomm: Ich sehe das überhaupt nicht so. Bei der Nominationsversammlung für die nationalen Wahlen im Herbst waren über 70 bisherige Parteimitglieder und bloss eine Handvoll Ex-AL-Leute zugegen. Linda De Ventura und Simon Stocker haben offenbar mehr überzeugt mit ihren Auftritten, weshalb sie nominiert worden sind. Wer sich einer demokratischen Ausmarchung stellt, muss auch damit rechnen, dass er den Kürzeren zieht.

«Wenn es meine Gesundheit zulässt, dann werde ich nächstes Jahr noch einmal als Stadtpräsident antreten.»

Sie sind im letzten Juli 60 Jahre alt geworden. Werden Sie nächstes Jahr noch einmal als Stadtpräsident antreten?

Neukomm: Im Mai wird es 30 Jahre her sein, seit ich in den Grossen Stadtrat gewählt worden bin. Seit 14 Jahren bin ich im Stadtrat. Die Stadt ist meine Herzensangelegenheit. Wenn es meine Gesundheit zulässt, dann werde ich nächstes Jahr noch einmal als Stadtpräsident antreten. Es gilt, viele angefangene Grossprojekte umzusetzen. Ich möchte die Einweihung der Kammgarn und des Stadthausgevierts sehr gerne im Amt miterleben.

Was wird wichtig im Jahr 2024?

Neukomm: Zum einen werden uns weitere Bauprojekte auf Trab halten, wie die Neugestaltung der Bahnhofstrasse, die Werkhöfe Grün und SH Power, die Schulanlage Kreuzgut, die Sportanlagen Schweizersbild oder die Vorlagen zur Sanierung der Schulanlage Steig oder die Umgestaltung der Verkehrsführung Adlerunterführung-Schwabentor im Rahmen des Agglomerationsprogrammes. Dann wird es mit der KSS-Vorlage zum Hallenbadneubau ernst, das Ziel wäre, über die Finanzierung parallel mit dem Kanton abzustimmen, ideal wäre im Juni. Wir hoffen, dass der Kantonsrat bald über die Vorlage beraten kann. Und dann wollen wir mit der Volksabstimmung über Schulleitungen endlich auf ein zeitgemässes Niveau in der städtischen Volksschule kommen und damit die Lehrpersonen entlasten. Und ich freue mich sehr auf die Kulturtage, die im Juni erstmals stattfinden.

Verkehrsfragen dürften auch im neuen Jahr viele Debatten auslösen. Der Präsident des Städteverbands hat kürzlich in einem neuen Positionspapier eine Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h in Schweizer Siedlungsgebieten und auf Hauptstrassen gefordert. Teilen Sie diese Haltung?

Neukomm: Die Ausgangslage ist die, dass sich immer mehr verschiedene Mobilitätsteilnehmer den knappen Strassenraum teilen müssen. Tempo 30 ist ein wichtiges Element, wie die Strassen von Lärm befreit und sicherer gemacht werden können und so die Wohn- und Lebensqualität der Stadtbewohner verbessert werden kann. In der Stadt Schaffhausen haben wir kein Konzept für eine flächendeckende Einführung, wir machen das punktuell.

Gleichzeitig ist aber noch eine städtische Volksinitiative hängig, die Tempo 30 auf Hauptverkehrsrouten verbieten will.

Neukomm: Der Stadtrat wird sich bald in einer Vorlage dazu vernehmen lassen. Ich gehe davon aus, dass es auf verkehrsintensiven Strassen weiterhin eine Einzelfallprüfung geben wird. Die Voraussetzungen dafür sind durch das Bundesrecht vorgegeben. Tempo 30 muss etwa dann geprüft werden, wenn die Sicherheit und die Lärmgrenzwerte nicht anders eingehalten werden können.

Der Stadtrat hat sich bisher stets hinter die Pläne des Astra zur zweiten Fäsen­staub-Tunnelröhre gestellt. Jetzt formiert sich Widerstand aus der Zivilbevölkerung. Bleiben Sie bei ihrer Unterstützung?

Neukomm: Das muss man ernst nehmen, bloss muss man sehen, dass die kommunale Ebene relativ wenig Einflussmöglichkeiten hat. Das Bundesamt für Strassen startet dieses Jahr die Auflage, es wird interessant sein, ob das Astra noch Verbesserungsvorschläge einbeziehen kann. Wir möchten zugunsten der Lebensqualität und Sicherheit möglichst das untergeordnete Strassennetz entlasten und aufwerten. Wie das ohne eine zweite Tunnelröhre gehen soll, erschliesst sich mir zurzeit nicht.

Das Lädelisterben in der Innenstadt ist ein Problem, das die Stadtbewohner jeden Tag vor Augen geführt bekommen. Jetzt wird die Stadt einen City Manager oder eine Managerin einstellen. Was soll diese Stelle in einem Jahr erreicht haben?

Neukomm: Die Ausschreibung für eine Koordinationsstelle für die Innenstadtentwicklung steht jetzt bevor. Sobald wir ein gültiges Budget haben, kann der Zuschlag erfolgen. Wir erhoffen uns, dass diese Person neuen Schub in die Debatte und die Altstadtentwicklung bringt. Wichtig ist nebst der Umsetzung konkreter Massnahmen die Vernetzung aller Stakeholder wie zum Beispiel der Einwohnerverein Altstadt, Pro City, Wirtschaftsförderung und notabene auch die Hauseigentümer. Ich bin überzeugt, dass diese ein Schlüssel zum Erfolg sind, wenn es um Themen wie die Zwischen­nutzung von Leerständen geht.

Herr Neukomm, danke für das Gespräch.

70 Jahre Städtefreundschaft mit Sindelfingen

Foto: Übergabe des Dokuments zum Jubiläum durch den sindelfinger Oberbürgermeister Dr. Bernd Vöhringer

Freunde sind wie Sterne“: Rede zu den Feierlichkeiten vom 10. Dezember 2022 in Sindelfingen

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, lieber Bernd,
liebe Sindelfingerinnen und Sindelfinger, dear guests from the partner cities of Sindelfingen

Wir freuen uns, heute mit Ihnen allen auf 70 Jahre Städtepartnerschaft Sindelfingen – Schaffhausen anstossen zu können. Ganz herzlichen Dank für die freundliche Einladung. Unsere Stadtregierung ist dieser mit drei von fünf Mitgliedern gefolgt. Neben mir sind auch die Stadträte Raphael Rohner, Vizepräsident und Daniel Preisig, Finanzreferent heute anwesend. Wir wären also beschlussfähig. Das soll auch unsere hohe Wertschätzung für Sindelfingen und unsere Freundschaft zum Ausdruck bringen.
Gerade in der heutigen Zeit, in der Millionen Menschen auf unserem europäischen Kontinent wieder unter Krieg leiden, müssen die demokratischen Staaten noch näher zusammenrücken. Und hier spielen auch unsere Städtepartnerschaften im Sinne gelebter Völkerverständigung eine wichtige Rolle.
Wie ist es nun aber vor 70 Jahren zur Städtefreundschaft zwischen Sindelfingen und Schaffhausen gekommen? Begonnen hat alles durch einen Zufall. An einem Anlass in Sindelfingen lernte der Schaffhauser Stadtschreiber Hans Müller wenige Jahre nach dem Krieg den Sindelfinger Bürgermeister Arthur Gruber kennen und vermittelte in der Folge ein Treffen mit dem damaligen Schaffhauser Stadtpräsidenten Walther Bringolf, einer äusserst prägenden Figur der SH-Stadtgeschichte, der 36 Jahre als Stadtpräsident amtete und 46 Jahre unseren Kanton im Nationalrat vertrat. Aus diesem ersten Kontakt ergaben sich zahlreiche Besuche von Mitarbeitern der im Wiederaufbau begriffenen Stadt Sindelfingen im damals deutlich grösseren Schaffhausen. Dabei interessierte sich Bürgermeister Gruber vor allem für den sozialen Wohnungsbau. Entsprechende Baupläne aus Schaffhausen sollen in Sindelfingen ihren Niederschlag gefunden haben. Bernd Vöhringer hat das schon erwähnt. Das gute Verhältnis von Bringolf und Gruber führte zu einer Vertiefung der Beziehungen unserer Städte, auch dank dem wertvollen Engagement des Vereins ISPAS.
Jedes Jahr wird auch eine Delegation aus Schaffhausen an den traditionellen Austausch Sindelfingens mit seinen Partnerstädten und ans Internationale Straßenfest eingeladen. Wir kommen immer sehr gerne zu Ihnen. Der freundschaftliche Austausch auch mit ihren Partnerstädten ist für uns spannend und bereichernd. Ich war übrigens beim von Bernd Vöhringer erwähnten Fussballspiel in den 90-er Jahren als Stadtparlamentarier und Spieler mit dabei und weiss auch noch, wie es ausgegangen ist. Es stand schon zur Pause 6 : 0 für Sindelfingen, weshalb die Mannschaften in der 2. Halbzeit gemischt wurden. Man wollte ja die Gäste aus Schaffhausen nicht frustriert nach Hause schicken. Also, die Sindelfinger waren damals schon sehr gastfreundlich.
Anlässlich der 725-Jahrfeier der Stadt Sindelfingen vom 15./16. April 1988 wurde unter Oberbürgermeister Dieter Burger der Platz an der alten Stadtmauer von Sindelfingen mit dem Namen «Schaffhauser Platz» versehen und bei den Feierlichkeiten zum 50-Jahr-Jubiläum unserer Städtefreundschaft im Jahr 2002 gab es eine grosse Fotoausstellung in Sindelfingen.
Umgekehrt war Sindelfingen 2011 beim grossen Stadtfest «Schaffusia» mit einem Stand präsent. Leider fiel die Feier zum 975. Geburtstag der Stadt SH im Jahr 2020 Corona zum Opfer. Auch da wäre Sindelfingen natürlich mit dabei gewesen.
Es heisst, dass Sindelfingen zu Beginn der Städtefreundschaft in Schaffhausen vor allem durch den grünen Mercedes von Stadtpräsidenten Walther Bringolf sichtbar gewesen sein. Dieser war ihm seinerzeit von Bürgermeister Arthur Gruber vermittelt worden. Wir möchten die Sichtbarkeit unserer Städtefreundschaft aus Anlass des Jubiläums in Schaffhausen deutlich erhöhen. Bald wird es dazu eine Möglichkeit geben: Wir sind am Ausbau des Stadthausgevierts und dem Neubau eines Verwaltungsgebäudes mitten in der Schaffhauser Altstadt. Dieser soll 2024 eingeweiht werden. Ich kann Ihnen versichern, dass wir dort unserer Städtefreundschaft prominent Platz geben werden und Sie natürlich zur Eröffnung einladen werden.
Seit 1952 hat sich vieles gewandelt. In der Zwischenzeit hat Sindelfingen Schaffhausen in vielerlei Beziehung überholt. Aus der kleinen Stadt mit 13’000 Einwohnerinnen und Einwohnern ist ein erfolgreicher Wirtschaftsstandort mit über 64’000 Einwohnerinnen und Einwohnern geworden, bekannt vor allem als Standort der Mercedes-Werke.
Wir sind heute stolz und dankbar, dass unsere Vorfahren diese Städtefreundschaft mit Sindelfingen eingegangen sind und wir werden unseren Teil dazu beitragen, dass sie weitere 70 Jahre Bestand haben und gelebt wird. Denn wie besagt es ein bekanntes Sprichwort doch so schön: «Freunde sind wie Sterne. Du kannst sie nicht immer sehen, aber du weißt, sie sind immer für dich da».

Schlussbericht Stadtlabor mit Inputs für die Innenstadtentwicklung

Tele Top Beitrag vom 08.12.2022