Stellungnahme des Stadtrats vom 23.01.2024 zum Postulat T. Hardmeier „Strom fürs Schaffhauser Volk“

Auftrag 2012: Erhöhung Produktion von neE auch über Beteiligungen im Ausland
Fakt ist, dass es einen Auftrag der Stimmbevölkerung aus dem Jahre 2012 gibt. Dieser deckt die Beteiligung an ausländischer erneuerbarer Stromproduktionen ab und erwähnt im Abstimmungsmagazin explizit die Swisspower Renewables AG (SPRAG) als Investitionsinstrument für Projekte im Ausland. Die Beteiligung an der SPRAG war ein zentraler Bestandteil der Argumentation für den Rahmenkredit. Dem Rahmenkredit hat die Stimmbevölkerung mehr als deutlich, nämlich mit 9’595 zu 3’170 Stimmen, zugestimmt. Diese Investitionen waren also demokratisch hoch legitimiert und es wäre darum demokratiepolitisch schwierig zu begründen, warum diese nun veräussert werden sollen, bevor nicht klar ist, ob das Geld in ebenbürtige inländische Projekte investiert werden könnte.

Warum hat die Stadt in den vergangenen Jahren in ausländische neE-Anlagen investiert?
Grund für die Auslandsinvestitionen war vor allem die Tatsache, dass es in unserem Land viel zu wenige Möglichkeiten zur Erhöhung der Produktion von erneuerbarem Strom gab. Die Hürden waren bisher zu hoch.
Der Windpark Chrobach ist ein gutes Beispiel dafür. Die Planung startete zeitgleich mit dem Windpark Verenafohren, an dem wir uns ja auch beteiligt haben.
Dieser produziert seit Juni 2017, also seit über 6 Jahren sauberen Strom für fast 38’000 Personen…

Sinnvolle Investitionen ins europäische Verbundsystem
Diese Investments in die Produktion erneuerbaren Stroms in unseren Nachbarländern dienen den energie- und klimapolitischen Zielen unserer Stadt und können wirtschaftlich interessant sein.
Darum sind auch institutionelle Anleger der Schweiz in neE Stromproduktion im europäischen Umland eingestiegen. Weil es sich beim europäischen System um ein Verbundnetz handelt, sind die Investitionen über die SPRAG sinnvoll und leisten auch einen Beitrag an die Stromversorgungssicherheit. Denn, wenn die Versorgungssicherheit im europäischen Gesamtsystem verbessert wird, verbessert sich auch die Versorgungssicherheit in der Schweiz. «Jede Kilowattstunde, die in Europa produziert wird, ist hilfreich». Dieses Zitat stammt von Michael Frank, Direktor des Verbandes Schweizerischer Energieversorger VSE. Deshalb haben in den vergangenen Jahren nicht nur wir, sondern ganz viele andere Kantons- und Stadtwerke wie EKZ, Stadtwerke Winterthur, EWZ, Industrielle Werke Basel oder Energie Wasser Bern, aber auch die grossen Energieversorger wie Axpo, Alpiq oder BKW im Ausland in neE investiert.
Ich verweise als Beispiel auf einen Artikel in den SN vom 15.07.2023, S. 11: «BKW kauf sich bei italienischen Windparks (in Apulien) ein». 
Das macht Sinn, solange unser Land weiterhin als wichtige Stromdrehscheibe im europäischen System eingebunden bleibt und dafür braucht es möglichst bald ein Stromabkommen mit der EU. Die Jahresproduktion der ausländischen nEE-Kraftwerke in Schweizer Hand entspricht inzwischen bereits ca. 30% des jährlichen Schweizer Stromverbrauchs.
Dies ist eine Verdoppelung seit 2016. Eine neue Erhebung der Energie Zukunft Schweiz AG zeigt, dass Investments in neue er­neuer­bare Energien für Schweizer Energieunternehmen und institutionelle Investoren im europäischen Ausland weiterhin attraktiver sind als in der Schweiz. Während in der Schweiz die Investitionen in neE nur leicht steigen, stimmt im europäischen Ausland das Zubautempo, hat sich doch die Produktionskapazität dort seit der ersten Erhebung im Jahr 2016 mehr als verdoppelt.

Missverständliche Begründung in der Vorlage Rahmenkredit Erneuerbare 2011
Dass die Einschränkung des «pyhsikalischen Imports» in der Vorlage für den ersten Rahmenkredit für Laien missverständlich sein kann, ist zu bedauern. Aber: Für Fachleute war immer klar, was gemeint war.
Natürlich kann keine direkte Stromleitung von einer Produktionsanlage in unser Versorgungsgebiet und in die Schaffhauser Haushalte gezogen werden – egal ob diese Produktionsanlage im Ausland oder in der Schweiz steht.
Aber die Investitionen in unseren Nachbarländern tragen dazu bei, dass zusätzliche erneuerbare Energie in das europäische Gesamtsystem, zu welchem wir gehören, eingespeist wird.
Dieses Investitionsmodell für ausländische nEE-Anlagen haben noch unsere Vorgänger im Amt initiiert.
Ihre Erwartungen, dass die Investitionen später auch neue Möglichkeiten zur Erhöhung des Versorgungsgrads bringen, werden sich ab 2025 erfüllen: Bisher liefen die Herkunftsnachweise (HKN) in die deutschen Ökobilanzgruppen nach EEG. Da gewisse Fördermodelle nun auslaufen, können wir aufgrund unserer Beteiligungen (4.36%) künftig entsprechende Herkunftsnachweise (HKN) erwerben (zu Marktpreisen).  

Neue Entwicklungen im Inland?
Mit den aktuellen Revisionen des Energie- und Stromversorgungsgesetz auf Bundesebene, bekannt unter dem Begriff «Mantelerlass», sollen die Rahmenbedingungen für Investitionen in neue erneuerbare Energien (neE) endlich verbessert werden, damit diese schneller und stärker ausgebaut, die Stromversorgungssicherheit erhöht und der Weg zur Erreichung der Klimaneutralität verkürzt werden können. Dieses soll ab 2025 in Kraft treten, falls das Referendum im Juni erfolglos bleibt. Damit besteht Hoffnung, dass sich die Rahmenbedingungen mittel- bis längerfristig verbessern lassen und Investitionen in neE in der Schweiz umsetzbar und wirtschaftlich attraktiv werden. Kurzfristige Veräusserungen von Beteiligungen an ausländischen Produktionsanlagen für neE sind deswegen aber weder nötig noch sinnvoll. Mit dem Mantelerlass wird auch die Durchschnittspreismethode fallen, welche bei unserem Kraftwerkstrom zur Anwendung gelangt, so dass ab 2025 die Zuordnung der Eigenproduktion an die grundversorgten Kunden kommen wird. Hinzu kommt der Umstand, dass wir unseren Jahresbedarf nur teilweise aus der Eigenproduktion decken können und sicher am Markt noch zusätzliche Mengen kaufen (aber auch verkaufen) müssen. Bei sehr hohen Marktpreisen werden die grundversorgten Kunden aber sicher von der Regelung an Gestehungskosten-nahen Preisen profitieren können. Es gilt sich also für die Zukunft auch Eigenproduktionsanteile zu sichern, beim Solar- und Windstrom genauso, wie beim Strom aus unserem Kraftwerk.

Darum widerspricht es den Interessen der Stadt, höhere Bezugsrechte aus dem Kraftwerk für den Kanton zu fordern.
Unser Ziel, bei der Energieversorgung möglichst unabhängig zu werden, war und ist sinnvoll. Dabei muss aber zwischen Eigenproduktionsgrad und Eigenversorgungsgrad unterscheiden werden. Der Eigenproduktionsgrad gibt Auskunft über die eigene Produktion im Verhältnis zum Absatz im eigenen Netzgebiet. Der Eigenversorgungsgrad über die produzierte und beschaffte Menge im Verhältnis zum Verbrauch im eigenen Netz. Der Eigenversorgungsgrad sollte in der Summe übers Jahr möglichst nahe bei 100% zu liegen kommen. Beim Eigenproduktionsgrad ist eine Steigerung anzustreben, 100% sind aber völlig illusorisch.

Warum sind wir bereit, das Postulat entgegen zu nehmen?

Im Hinblick auf die neuen Entwicklungen, insbesondere einem erfreulichen Solarboom 2023 in der Schweiz und in der Hoffnung, dass der Mantelerlass bei der Volksabstimmung eine Mehrheit finden wird, aber auch in Anbetracht, dass auch in Schaffhausen in den nächsten Jahren mehr in neE investiert wird, nehmen wir den Prüfungsauftrag des Postulats entgegen. Wie in der schriftlichen Stellungnahme erwähnt, werden wir mit unseren Beteiligungen keine unüberlegten Schnellschüsse machen, denn bei einer allfälligen Umschichtung resp. einer Veräusserung von Beteiligungen an der SPRAG haben wir auch unsere Verantwortung den Finanzen der Stadt gegenüber zu wahren.