Mündlicher Kommissionsbericht im Kantonsrat vom 04.03.2024

Die Haltung, der Staat sei zum Nichtstun und Zuschauen verdammt, bis jemand ein schwerwiegendes Delikt begeht, ist spätestens seit dem Amoklauf in Zug von 2001 überholt.
Klammer: Der Kreis schliesst sich, ich war damals als UR Mitglied der erste AG POGEV (Potenziell gefährdende Verfahrensbeteiligte).
Es ist unterdessen anerkannt, dass der Staat auch eine Verantwortung dafür trägt, schwere Straftaten zu verhindern.
Personen, deren Verhalten oder Äusserungen auf eine Neigung zu Gewalt gegen Dritte hindeuten und die mutmasslich imstande sind, die physische, psychische oder sexuelle Integrität anderer Personen schwer zu beeinträchtigen, sollen hierzu auf den Radar geraten und nicht darunter durchfliegen können, bis etwas passiert.
Dazu gibt es übergeordnete Verpflichtungen: Ich verweise hierzu auf die Istanbul Konvention und den nationalen Aktionsplan zur Verhinderung und Bekämpfung von Radikalisierung und gewalttätigem Extremismus (NAP).

Um dieser Verantwortung gerecht werden zu können, braucht es eine gesetzliche Grundlage, welche den erhöhten rechtsstaatlichen Anforderungen im vorstrafprozessualen Bereich genügen kann. Die bisherige konnte das bekanntermassen nicht.
Und neu sollen nicht nur Mitarbeitende von Behörden und der öffentlichen Hand in den Schutzbereich geraten und Meldung erstatten können, sondern alle Menschen.
Ob es deswegen wesentlich mehr Fälle als die bisherigen 10 – 15 geben wird, wissen wir noch nicht.

Um die anspruchsvolle Aufgabe des Bedrohungsmanagements erfolgversprechend erfüllen zu können, braucht es eine Stelle, welche die Fäden in der Hand behält, wo die nötigen Informationen zur fachlichen Bewertung von Risiko- und Schutzfaktoren zusammenlaufen und diese fachgerecht, interdisziplinär ausgewertet werden können.
Es braucht die Möglichkeit, die Gefährder anzusprechen, damit sie wissen, dass sie auf dem Radar der Behörden sind, was oftmals schon deseskalierend wirken kann.
Und die Informationen müssen auch an diejenigen Behörden weitergeleitet werden können, welche für das Ergreifen von Massnahmen zuständig sind.
Die Kommission sah die Notwendigkeit dafür ein und ist deshalb einstimmig auf die Vorlage eingetreten.

Sie hat die Bestimmungen der Vorlage, welche sich im Spannungsfeld des Schutzbedürfnisses von Gefährdeten auf der einen und der rechtsstaatlichen Anforderungen im Umgang mit Gefährdern, die noch kein Delikt begangen haben, auf der anderen Seite sehr intensiv geprüft, auch was die Umsetzung der Bestimmungen betrifft.
Ich habe versucht, diesen Prozess im Kommissionsbericht nachvollziehbar darzustellen, um damit genügend klare Materialien für den Vollzug der Bestimmungen und den Erlass der Ausführungsbestimmungen der Regierung zu schaffen.

Die Kommissionsmitglieder konnten sich einbringen und haben mit ihren Inputs zur Verbesserung der Vorlage beigetragen.
Ausdruck davon sind die vielen roten Stellen im Gesetzestext nach der Kommissionsberatung, den Sie zugestellt erhalten erhalten haben.
Es gab inhaltliche Erweiterungen wie auch Konkretisierungen für die Umsetzung oder formelle, gesetzestechnische Anpassungen, welche zu einer besseren Verständlichkeit beitragen sollen.
Der Prozess war kontradiktorisch, aber immer konstruktiv und respektvoll.
Da beziehe ich auch die Vertretung des FD mit ein, die uns bei dieser anspruchsvollen Arbeit sehr professionell unterstützt hat.

Das Ergebnis ist ein Kompromiss, der ausgewogen erscheint.
Dieser wurde in der Schlussabstimmung einstimmig zuhanden des Ratsplenums verabschiedet.
Das ist auch der Grund dafür, dass die grossen Fraktionen der bürgerlichen und der linken Seite in Aussicht gestellt haben, heute keine weiteren Anträge mehr zu stellen, wenn sich auch die Gegenseite an dieses Commitement halten werde.
Das macht absolut Sinn, denn die Materie eignet sich nicht, um auch noch im Rat eine weitere Kommissionsdebatte abzuhalten.
Ich hoffe deshalb, dass wir heute schlank durchkommen und das Bedrohungsmanagement bald in die Umsetzung gehen kann.

Weil für Eingriffe im Vorfeld von Straftaten die Einhaltung der rechtsstaatlichen Anforderungen wie dem in Art. 7 der KV verankerten Verhältnismässigkeitsprinzip besonders wichtig erscheint und die Erfahrungen mit der Umsetzung des Gefährdungsmanagements schweizweit noch relativ bescheiden sind, braucht es ein Monitoring über den Vollzug dieser neuen Bestimmungen.
Nach einer Einführungsphase sollen die Einhaltung der rechtsstaatlichen Anforderungen geprüft und aufgrund der gemachten Erfahrungen auch allfällige Stellschrauben auf gesetzgeberischer Ebene nachjustiert werden können.
Es ist auch abzusehen, dass diese Thematik in den nächsten Jahren eine Weiterentwicklung durch die national vernetzten Polizeibehörden über die Qualitätsstandards der KKJPD sowie durch die Rechtsprechung erfahren wird.

Deshalb erachtet es die vorberatende Kommission als wichtig, dass die Regierung dem Kantonsrat nach spätestens 6 Jahren einen Bericht über die Evaluation des neuen Bedrohungsmanagements vorlegt.
Sie hat diesen Auftrag fett auf der letzten Seite des Kommissionsberichts festgehalten.
Die Regierung teil die Einschätzung der Notwendigkeit einer solchen Evaluation.

Dem Beschluss über den Personalbestand der Schaffhauser Polizei im Anhang 2 des Kommissionsberichts hat die Kommission diskussionslos zugestimmt.
Die zusätzlichen 100 Stellenprozente sind in den 181.3 Pensen von Abs. 1 enthalten.
Die Anpassung ist die logische Konsequenz des Entscheids für die Einrichtung einer Fachstelle Bedrohungsmanagement, die wie in den meisten anderen Kantonen bei der Polizei angesiedelt werden soll.
Das Pensum von 100% wird vermutlich auf zwei Personen aufgeteilt, welche die nötigen fachlichen und interdisziplinären Voraussetzungen für diese anspruchsvolle Aufgabe mitbringen müssen.

Im Namen der SPK 2020/11 beantrage ich Ihnen, den Ergebnissen der Kommissionsberatungen zuzustimmen und diese heute zu verabschieden.

Natürlich sind wir uns alle bewusst, dass auch das beste Bedrohungsmanagement keine absolute Sicherheit vor schweren Eingriffen in die physische, psychische und sexuelle Integrität garantieren kann.
Aber wir verbessern damit immerhin die Chance, für eine bessere Früherkennung solcher schwerwiegenden Übergriffe und erhöhen damit auch die Chance, solche zu verhindern.
Und das ist doch unser aller Ziel.

Wenn es zu keinen wesentlichen Änderungsanträgen mehr kommt, welche einer 2. Lesung bedürften, würde ich Ihnen beantragen, anschliessend gleich die 2. Lesung durchzuführen. Es wäre ein gutes Zeichen, wenn es uns gelingen würde, diese Teilrevision des Polizeigesetzes mit einer 4/5 Mehrheit zu verabschieden.

Die SP-Fraktion legt grossen Wert auf die Einhaltung der rechtsstaatlichen Anforderungen in diesem sensiblen Bereich, insbes. auch beim Erlass der Ausführungsbestimmungen durch die Regierung und den Vollzug durch die künftige Fachstelle.
Sie wird dem Vorschlag der Kommission zustimmen und hofft, dass wir uns heute auf einen gemeinsamen Nenner einigen können, so dass auch im Kanton SH bald ein Bedrohungsmanagement mit zeitgemässer und rechtsstaatlich genügender gesetzlicher Grundlage in die Umsetzung gehen kann.