Stellungnahme des Stadtrats zum Postulat „Kein städtisches Geld für VSG-Greenwashing!“

Sitzung des Grossen Stadtrats 22.03.2022

Mit seinem Postulat vom 11. Mai 2021 fordert Grossstadtrat Matthias Frick den Stadtrat auf, auf Beiträge an Interessenorganisationen zu verzichten, welche im Widerspruch mit übergeordneten städtischen Zielen stehen, wobei er auf den Verband der Schweizerischen Gasindustrie (VSG) fokussiert.

Gerne fasse ich zu Beginn kurz die massgeblichen Rahmenbedingungen im Energie- und Klimabereich, auf die ich ja schon beim Postulat Merz eingegangen bin, zusammen:

Wie Sie wissen, hat sich der Stadtrat wiederholt zu übergeordneten energie- und klimapolitischen Zielsetzungen wie dem Pariser Abkommen oder der Energiestrategie 2050 bekannt, so dass ich an dieser Stelle nicht mehr näher darauf eingehen muss.

Mit seinem Anschlusskonzept zur kantonalen Energiepolitik für die Periode 2018 – 2030 legt der Kanton den Fokus auf die Reduktion der CO2-Emissionen. Ende 2020 hat er seine Klimastrategie vorgelegt, mit der er die Herausforderungen beim Klimaschutz und der Klimaanpassung mittels Massnahmen angehen will. Am 24.01.2022 hat der Kantonsrat einer nachhaltigen Finanzierung der Massnahmen über einen Klimafonds klar zugestimmt. Mangels 2/3-Mehrheit wird es noch zu einer Volksabstimmung kommen.

Auf der lokalen Ebene verweise ich auf unsere Legislaturschwerpunkte 2021-24, Schwerpunkt 4, «Nachhaltige Umwelt- und Energiepolitik», wo wir uns u.a. zu einer umweltfreundlichen, lokalen Energieversorgung und zur Reduktion der Treibhausgasemissionen bekennen. Wie zahlreiche weitere Schweizer Städte und Gemeinden hat die Stadt Schaffhausen 2020 die «Klima- und Energie-Charta» unterzeichnet. Diese Charta vereint die unterzeichnenden Städte in einem gemeinsamen Bekenntnis zu einem engagierten und wirkungsvollen Klimaschutz. Aktuell erarbeitet die Stadt eine Klimastrategie. Und mit der Rahmenkreditvorlage für die Versorgung der Stadt Schaffhausen mit Wärme und Kälte, welcher die Stimmberechtigten am 28. November 2021 zugestimmt haben, wurde in Umsetzung des Versorgungsauftrags Wärme und Kälte zudem die Voraussetzung geschaffen für eine Wärmeversorgung aus erneuerbaren und lokalen Energiequellen und damit für eine Alternative zu fossilen Heizungen.

Nun zum VSG: Wer ist der VSG? Der Verband der Schweizerischen Gasindustrie VSG vertritt national und international die branchen- und energiepolitischen Interessen der Schweizer Gaswirtschaft. Eines der Hauptziele der Branche ist, die Gasversorgung bis 2050 zu dekarbonisieren. Im Verband, der 1920 gegründet wurde, sind rund 90 Gasversorgungsunternehmen zusammengeschlossen, die sich mehrheitlich in öffentlicher Hand befinden. Der VSG unterstützt seine Mitglieder in den Bereichen Energiewirtschaft und -politik, Innovation und Forschung, Kommunikation, Aus- und Weiterbildung sowie Öffentlichkeitsarbeit. Der Verband hat seinen Sitz in Zürich und verfügt über eine Niederlassung in Lausanne.

In der aktuellen Krisensituation wegen des Kriegs in der Ukraine übernimmt der VSG in der Taskforce des Bundes eine wichtige koordinierende Rolle für alle Mitglieder. Er stellt die dialoggruppenorientierte Kommunikation für die Energieversorger und ihre Kunden sicher. SH POWER war in diesem Zusammenhang froh, auf diese Ressourcen und das Know How des VSG zurückgreifen zu können. Daraus ergaben sich auch die Antworten auf viele Kundenanfragen, welche auf der Homepage von SH POWER aufgeschaltet sind. Zudem vertritt der VSG die Branche in einer in Aufbau befindlichen Projektorganisation des Bundes, welche sich dem Thema Beschaffung für den Winter 2022/23 annehmen wird.

Bei den Schweizer Gasversorgern und auch beim VSG ist die Zeit nicht stehen geblieben. Die Schweizer Gaswirtschaft und der Verband, in dem sie organisiert ist, bekennen sich zum Ziel des Bundesrats, im Rahmen des Pariser Übereinkommens bis zum Jahr 2050 die Klimaneutralität (Netto-Null-Emissionen) zu erreichen. Wenn der VSG sich gegen diese Zielsetzungen positionieren würde, gäbe das eine grosse Austrittswelle, weil die meisten der 90 Mitglieder Versorgungsunternehmen von Städten und Gemeinden sind, die sich alle klar zur Netto-Null Zielsetzung des Bundes bekannt und sich auf diesen Weg begeben haben. Eine solche Austrittswelle ist aber nicht im Gang. Die IWB ist das einzige Stadtwerk, das aus dem VSG ausgetreten ist und ich kenne kein anderes Werk, das diese Absicht zurzeit hegt. 

Es ist mittlerweile allgemein anerkannt, dass der Anteil des in der Energieversorgung verwendeten Gases deutlich sinken muss, wenn zunehmend und dereinst ausschliesslich erneuerbares Gas eingesetzt werden soll. Das gilt insbesondere bei der Komfortwärme von Wohnbauten. In Zukunft soll deshalb Gas nur noch dort verwendet werden, wo keine erneuerbaren Alternativen bestehen. Diese Zielsetzung macht auch mit Blick auf die wichtigsten Herkunftsländer fossiler Brennstoffe und der kriegerischen Aggression Russlands als eines dieser Länder sehr viel Sinn. Im Vordergrund stehen dabei die Verwendung als Prozessenergie für industrielle Anwendungen und als Spitzendeckung in Wärmeproduktionsanlagen von Wärmeverbünden. Neben einer Wasserkraftreserve soll klimakompensiertes Gas ab 2025 gemäss Bundesrat auch als Backup mithelfen, Strommangellagen zu verhindern, sozusagen als Versicherungslösung für den Notfall. 

Der Einsatz in Gas-Direktheizungen ist durch das revidierte Baugesetz des Kantons SH seit April 2021 stark eingeschränkt worden. Die Versorgung mit Komfortwärme soll so schnell als möglich von Wärmeverbünden übernommen werden. Die bei SH POWER momentan laufende Zielnetzplanung Gasnetze analysiert, welche Rolle die Gasnetze von SH POWER in Zukunft noch spielen werden. Das Gasnetz wird redimensioniert und an die zukünftigen Bedürfnisse angepasst werden müssen. Insbesondere in Gebieten mit hoher Wärmedichte, in denen Lösungen mit erneuerbaren Energien als zukünftige Wärmelösung möglich sind, dürfte sich ein Rückbau der Gasnetze abzeichnen. Aber auch in weniger dichten besiedelten Gebieten, in denen primär Wohnungsnutzungen versorgt werden, wird das Aufrechterhalten resp. die Erneuerung der Gasleitungsnetze hinterfragt werden müssen.

Es ist also klar, dass die Versorgung mit Komfortwärme über fossiles Gas verschwinden wird, und das ist angesichts der grossen Herausforderung zur massiven Reduktion des CO2-Ausstosses nicht nur wünschbar, sondern dringend nötig.

Wir können den Gashahn aber noch nicht heute zudrehen, sonst müssten sehr viele Einwohnerinnen und Einwohner der Stadt in ihren Wohnräumen frieren. Dasselbe gilt für die Gemeinden Neuhausen, Beringen, Schlatt, Thayngen, Feuerthalen, Flurlingen und Stetten, die von SH POWER beliefert werden und die über das Schicksal ihrer Gasversorgung mitentscheiden.

Noch sind wir also auf fossile Gase angewiesen, ob wir das gut finden oder nicht und die Dekarbonisierung wird mindestens 15 – 25 Jahre dauern. Daran ändert auch ein Austritt von SH POWER aus dem VSG nichts.

SH POWER überprüft ihre Mitgliedschaften in Branchenverbänden und Organisationen regelmässig im Hinblick auf Zweckmässigkeit und Nutzen. Denn das Unternehmen kann – auch aus betriebswirtschaftlichen Gründen – kein Interesse daran haben, Mitgliedschaften in Organisationen zu finanzieren, die ihm nichts bringen.

Auch die Mitgliedschaft im VSG wird periodisch überprüft. Aufgrund der vorwerwähnten Abhängigkeit vom Gas, ist sie für die Gasversorgung der Stadt weiterhin nützlich und sinnvoll (Kosten: ca. Fr. 60’000 pro Jahr).

Warum? Der Verband arbeitet schon länger an der Dekarbonisierung der Gasversorgung, weil auch er sich nach den übergeordneten Rahmenbedingungen ausrichten muss. Es ist heute sogar eines der Hauptziele des VSG. Er unterstützt tatkräftig Forschungs- und Pionierprojekte im Bereich erneuerbarer Gase, fördert deren Produktion und prüft zukünftige Einsatzbereiche von Wasserstoff. Mitgliedsunternehmen profitieren von den Ergebnissen dieser Forschung und von weiteren wertvollen Dienstleistungen (z.B. Beurteilung von Marktentwicklungen). Die Mitgliedschaft im VSG dient der Gasversorgung Schaffhausen auch zum Austausch und zur Einflussnahme im Hinblick auf die notwendige Umgestaltung der Wärmeversorgung sowie auf die regulatorischen Rahmenbedingungen z.B. im Zusammenhang mit der anstehenden Öffnung des Gasmarktes oder bei der Frage der Zollbefreiung von importiertem Biogas.

Der Postulent erwähnt in seinem Vorstoss auch die Erdgas Ostschweiz (EGO) AG.

Die EGO AG ist eines von fünf regionalen Erdgasversorgungs­unternehmen in der Schweiz. Die Stadt Schaffhausen ist mit 4.88% Anteil Miteigentümerin dieser AG. Das Unternehmen transportiert das für die Gasversorgung benötigte Erdgas und Biogas zu den lokalen Gasversorgern und Direktkunden in der Ostschweiz. Dabei stellt sie insbes. die Versorgungssicherheit der Gasverteilneteze in den Mittelpunkt, indem Notfallszenarien durchgespielt werden und entsprechende Regelwerke für alle nachgelagerten Gasversorgungunternehmen wie auch die SH POWER definiert werden. Die EGO braucht es, solange Kundinnen und Kunden von SH POWER in der Stadt und in den von SH POWER belieferten Gemeinden auf Erdgas und Biogas angewiesen sind. Zu erwähnen ist an dieser Stelle auch, dass SH POWER für die Gasversorgung nach wie vor einen vom Grossen Stadtrat am 21. Juni 2006 verabschiedeten Versorgungsauftrag hat. Dieser kann angepasst werden, sobald den Kundinnen und Kunden Alternativen für die Komfortwärmeversorgung angeboten werden können. Dies wird u.a. dank den Wärmeverbünden möglich sein, für deren Ausbau die Stimmberechtigten der Stadt am 28. November 2021 einen Rahmenkredit bewilligt haben. Der vollständige Umbau der Wärmeversorgung wird aber mindestens 15 – 25 Jahre dauern.

Ich komme zum Schluss und damit auch zum Fazit:

Die Versorgung mit fossilem Gas zur Erzeugung von Komfortwärme in Wohnräumen ist zwar ein Auslaufmodell, aber noch ist es leider nicht soweit, dass wir es zeitnah durch erneuerbare Energieträger ablösen können. Daran ändert auch ein Austritt aus dem VSG nichts. Es wäre reine Symbolpolitik zum Schaden von SH POWER. Das Unternehmen soll solange Mitglied im VSG und Aktionärin der Erdgas Ostschweiz AG bleiben können, wie Kundinnen und Kunden in unserer Stadt und den von uns belieferten Gemeinden auf die Gasversorgung angewiesen sind. Parallel dazu arbeiten wir weiterhin an der Dekarbonisierung der Energie- und Wärmeversorgung und der Umsetzung der übergeordneten klima- und energiepolitischen Ziele, die auch der VSG teilt.

Der Stadtrat empfiehlt dem Postulenten, seinen Vorstoss in eine Interpellation umzuwandeln. Andernfalls beantragen wir Ihnen, das Postulat nicht zu überweisen.

Fossiles Gas für Komfortwärme ist ein Auslaufmodell

Stellungnahme des Stadtrats vom 08.03.2022 im Grossen Stadtrat zum Postulat „Ausstieg aus der fossilen Gasversorgung“ von Georg Merz

Mit seinem Postulat vom 8. März 2021 möchte Grossstadtrat Georg Merz, dass der Stadtrat prüft und aufzeigt, wie der Ausstieg aus der fossilen Gasversorgung vollzogen werden kann.

Der Stadtrat nimmt dazu wie folgt Stellung:

Zuerst zum Gasabsatz von SH POWER:

SH POWER lieferte im Jahr 2021 insgesamt 583 GWh Erdgas und Biogas an ihre Kunden und an andere Verteilnetze. Davon gingen 369 GWh an Kunden in der Stadt SH, was etwa 63% der Energiemenge beträgt. Davon waren ca. 10% Biogas. Der Anteil Prozessgas für industrielle Anwendungen betrug ca. 15%. In der Regel liegt dieser höher bei ca. 20%.

Zum klima- und energiepolitischen Kontext:

Der Bund hat sich 2017 dem Übereinkommen von Paris angeschlossen und sich zu einer sukzessiven Reduktion der globalen Treibhausgasemissionen verpflichtet.

Bis 2050 soll die Schweiz nicht mehr Treibhausgase ausstossen, als natürliche und technische Speicher aufnehmen können.

Innerhalb von 30 Jahren möchte der Bundesrat also das Ziel von Netto-Null-Emissionen erreichen.

Die Stadt Schaffhausen hat als erste Energiestadt Europas bereits vor rund 30 Jahren eine Pionierrolle in der Energie- und Klimapolitik übernommen und setzt sich seither für eine effiziente Nutzung von Energie, erneuerbare Energien und Klimaschutz ein.

2019 hat sich die Stadt auch im Rahmen der SH POWER Eignerstrategie dafür ausgesprochen, zukünftig vor allem auf erneuerbare Energien zu setzen. Und auch in den Legislaturschwerpunkten 2021-2024 ist die Reduktion der Treibhausgasemmissionen in den stadträtlichen Zielen verankert.

Aktuell befindet sich die Klimastrategie der Stadt Schaffhausen in Ausarbeitung, die neben weiteren konkreten Zielsetzungen auch Massnahmen zur Zielerreichung definieren wird. Die Potenziale für eine Reduktion der Treibhausgasemissionen in der Schweiz liegen vor allem im Wärmebereich, da hier der fossile Anteil noch immer bei rund 80% liegt. In der Stadt Schaffhausen beträgt er noch 83%. Wird die Prozesswärme für Industrie und Gewerbe herausgerechnet, ergibt sich der fossile Anteil des Wärmebedarfs der privaten Haushalte, der bei uns noch bei 76% liegt. Also haben wir auch in Schaffhausen ein sehr grosses Potenzial für eine Transformation hin zu einer fossilfreien Komfortwärmeversorgung, mit der jedes Jahr hunderte Tonnen CO2 reduziert werden können. 

Die Stadt hat die Grundlagen für die Reduktion der Treibhausgasemissionen im Wärmebereich und die schrittweise Umstellung auf erneuerbare Energieträger im Energierichtplan festgehalten. Darauf basierend ist die Rahmenkreditvorlage für die Versorgung der Stadt Schaffhausen mit Wärme und Kälte entstanden, welche die Stimmberechtigten am 28. November 2021 genehmigt haben.

Der Rahmenkredit ermöglicht die notwendigen Investitionen in Wärmeverbünde für einen schrittweisen Ausbau der Wärmeversorgung aus erneuerbaren und lokal verfügbaren Energiequellen. Damit soll der Bevölkerung eine Alternative zur Wärmeversorgung mit Gas angeboten werden.

Zusammen mit dem Kanton unterstützt die Stadt Schaffhausen zudem die Eigentümer bei der Steigerung der Energieeffizienz durch eine Gebäudesanierung. Das gilt auch für Anschlüsse an einen mit erneuerbaren Energien betriebenen Wärmeverbund (Zusatzbeitrag der Stadt: 50% zu den kantonalen Fördermitteln). Nach der Ablehnung des CO2-Gesetzs wird auch auf Bundesebene ein neuer Anlauf für eine zusätzliche Förderung von Wärmeverbünden in den Gemeinden angestrebt. Die Aussichten dafür stehen gut. Auch die finanzielle Unterstützung der Städte für den Rückbau der Gasnetze ist auf Bundesebene ein Thema. Der SR setzt sich in den massgeblichen Gremien auf nationaler Ebene dafür ein.

Angesichts dieses energiepolitischen Umfelds stellt sich die Frage nach der Zukunft der städtischen Gasversorgung. Deshalb hat SH POWER im Frühjahr 2021 zusammen mit einem externen Ingenieurunternehmen die Erarbeitung einer sogenannten Gas-Zielnetzplanung in Angriff genommen.

Die konkreten Absichten mit der Zielnetzplanung Gas sind folgende:

–    Der Erneuerungsbedarf des Netzes ist bekannt.

–    Die Auswirkungen verschiedener Politik-Szenarien auf den Gasabsatz werden geographisch differenziert aufgezeigt.

–    Die langfristige Entwicklung des Netzentgeltes wird als Indikator für die  Konkurrenzfähigkeit der Gasversorgung geographisch differenziert abgeschätzt.

–    Mögliche Zielnetze des Gasverteilnetzes werden definiert und beschrieben.

–    Kennzahlen zur Abschätzung der betriebswirtschaftlichen Auswirkungen im Geschäftsfeld Gas liegen vor.

Mit ihr sollen die Entscheidungsgrundlagen zur Zukunft der Schaffhauser Gasnetze geschaffen werden. Dies insbesondere unter Berücksichtigung der bestehenden und geplanten Wärmeverbünde, betriebswirtschaftlicher Aspekte (Amortisation der Leitungsnetze) und der notwendigen Vorlaufzeit, welche bestehende Gaskunden benötigen, um sich für eine Investitionen in eine alternative Wärmeversorgung ihrer Liegenschaft zu entscheiden.

Die Verwaltungskommission der städtischen Werke SH POWER und der Stadtrat werden bei ihren Entscheiden über die Zielnetzplanung – in Kenntnis der Fakten – auch die finanziellen Auswirkungen für die Stadt und für die Kundinnen und Kunden zu berücksichtigen haben. Dazu gehört auch eine Beurteilung der politische Lage: Das kriegerische Gebaren von Russland zeigt, dass wir bei der Energieversorgung unabhängiger vom Ausland werden und deshalb noch schneller die Produktion der erneuerbaren Energien vorantreiben müssen.

Nur ist das leider nicht so schnell möglich. So lange aber müssen wir als Grundversorger immer auch die Versorgungssicherheit unserer bestehenden Gaskunden gewährleisten, wozu uns auch der Versorgungsauftrag des Grossen Stadtrats vom 21.02.2006 verpflichtet. Es ist davon auszugehen, dass das Gasnetz redimensioniert und an die zukünftigen Bedürfnisse angepasst werden muss. Es ist absehbar und richtig, wenn fossiles Gas künftig nur noch dort eingesetzt, wo keine erneuerbaren Alternativen bestehen. Zu denken ist hier an die Verwendung als Prozessenergie in der Industrie oder die Spitzendeckung in Wärmeproduktionsanlagen von Wärmeverbünden.

Bei der Komfortwärmeversorgung privater Haushalte bestehen einerseits erneuerbare Alternativen und andererseits brauchen Neubauten – aufgrund der zukunftsweisenden Bauweise – sowieso weniger Wärme. Der verbleibende Bedarf soll ausschliesslich über erneuerbare Energien abgedeckt werden.

Es ist offensichtlich: Weltweit und auch in der Schweiz ist einiges in Bewegung in der Klima- und Energiepolitik und im Geschäftsfeld der Energieversorgung. Die Richtung ist dabei klar: Die Zukunft liegt bei den erneuerbaren Energieträgern und einer effizienteren Nutzung der Energie. Was den Weg dahin betrifft, gibt es noch diverse Fragen zu klären und Weichen zu stellen.

Von den strategischen Zielsetzungen, die auch mit der noch ausstehenden Klimastrategie beeinflusst werden, über die Erneuerung des Energierichtplans und die geplanten Wärmeverbünde bis zur Zielnetzplanung arbeiten wir auch in der Stadt Schaffhausen an der Energiezukunft mit.

Der Stadtrat ist deshalb bereit, das Postulat entgegenzunehmen und dem Grossen Stadtrat zu gegebener Zeit wieder Bericht zu erstatten über die Zukunft der Gasversorgung und den Ausstieg aus fossilen Energieträgern bei der Bereitstellung der Komfortwärme für private Haushalte.

Eröffnung Stadtlabor

Tele Top News vom 24.02.2022

Schutz der parlamentarischen Abläufe

Stellungnahme des Stadtrats im Grossen Stadtrat vom 25.01.2022 zur Dringlicherklärung der Volksmotion für eine Volksabstimmung über das Darlehen an die VBSH

Gemäss Art. 35 GO kann ein nicht auf der Tagesordnung aufgeführtes Geschäft mit Zweidrittelsmehrheit traktandiert werden, wenn der SR auf sein Vorprüfungsrecht verzichtet.

Vorliegend liegt dieser Verzicht nicht vor, weshalb eine Traktandierung nicht möglich ist.

Warum erachtet der SR die Traktandierung als problematisch?

Es geht ihm darum, die regulären, vom Gesetzgeber vorgesehenen Abläufe, also den parlamentarischen Prozess zu schützen.

Es kann doch nicht sein, dass Vorlagen, die in der abschliessenden Kompetenz des GSR liegen, über Volksmotionen – nach der Vorberatung in einer Kommission und kurz vor der Beratung im Plenum – über Dringlicherklärung von Volksmotionen, kurzfristig in Frage gestellt resp. verändert werden können.

Stellen Sie sich mal vor, wie unberechenbar und schwierig sich der parlamentarische Prozess dadurch gestalten würde, wenn das Schule macht.

Es wäre eine Privilegierung der Volksmotion gegenüber den anderen parlamentarischen Instrumenten und damit auch eine Abwertung der Parlamentsarbeit.

Es geht hier also um die Gewährleistung der Verlässlichkeit der parlamentarischen Abläufe.

Ich erinnere Sie nochmals daran, wie das im vorliegenden Fall abgelaufen ist:

Die Vorlage wurde am 10.08.2021 vom SR an den GSR überwiesen und damit publik.

Bereits kurz danach gab es einzelne Mitglieder des Rates, die forderten, die Darlehensvergabe freiwillig einer Volksabstimmung zu unterstellen.

Die Volksmotion wurde aber erst am 13.01.2022, also 5 Monate später, nach der parlamentarischen Vorberatung in der GPK und erst nachdem die Vorlage bereits im Plenum des Grossen Stadtrats traktandiert war, eingereicht.

Der Stadtrat ist nicht bereit, ein Präjudiz für solche «Schnellschüsse» zu schaffen, die formell höchst problematisch wären, unabhängig vom Anliegen der Motionäre.

Inhaltlich verlieren die Motionäre im konkreten Fall ja nichts, weil Ihr Anliegen absehbar und angekündigt in der Debatte von Mitgliedern des Rates eingebracht werden wird, so dass eine Abstimmung darüber stattfinden kann.

Der Stadtrat ist der Ansicht, dass es aus formellen Gründen nicht angeht, diese Volksmotion in einer Hauruckübung dringlich zu erklären. Ich hoffe auf Ihr Verständnis.

«Wir haben uns viel aufgeladen»

Der Stadtpräsident im Stadtratssaal: Viele der 44 Sitzungen hielt der Stadtrat 2021 hier ab, 866 Beschlüsse hat das Gremium gefasst. Bild: Roberta Fele

Jahresinterview mit den Schaffhauser Nachrichten vom 03.01.2022

(Elena Stojkova/SN) Zum Jahresbeginn schaut der Stadtpräsident aufs alte Jahr zurück – und wagt einen Ausblick aufs neue. Er spricht über zu tiefe Löhne, politische Höhepunkte und Niederlagen, das Lädelisterben und den Stadt-Land-Graben.

Mintfarben, leicht glänzend und gemustert ist die ­Tapete im Stadtratssaal, ­genauso wie die schweren Vorhänge. Ein grosser Holztisch steht in der Mitte des Raumes, Stadtpräsident Peter Neukomm nimmt auf einem der leicht unbequem, aber edel aussehenden Stühle Platz, bereit, für die SN in die Kamera zu lächeln.

Herr Neukomm, 2021 ist in der Stadt Schaffhausen viel gegangen. Wie haben Sie das Jahr erlebt?

Peter Neukomm: Ich bin nun seit 13 Jahren in der Stadtregierung – und kann mich nicht erinnern, dass wir je so viele grosse Projekte gleichzeitig hatten. Dank den ­hohen Unternehmenssteuern der letzten Jahre ist es uns möglich, viel zu investieren. In den letzten Jahrzehnten hat man einfach zu wenig in die Stadt investiert. Man verdrängt immer wieder gern, dass auch das Schulden sind. Wenn es zu wenig Geld gibt, verschiebt man wichtige Investitionen nach hinten. Nur: Der Berg, den man nach hinten verschiebt, wird immer grösser. In die Infrastruktur zu investieren war dringend nötig. Für die Sanierung des Stadthausgevierts war es höchste Zeit. Wir haben uns viel aufgeladen und wollen uns auch weiterhin viel aufladen.

2022 geht es also im ähnlichen Stil weiter?

Dieses Jahr werden die Weichen gestellt für den Hallenbadneubau. Ausserdem stehen die Aufwertung der Bahnhofstrasse, die Sanierung des Herrenackers, die ersten Wärmeverbünde und Sanierungen von Schulbauten an. Die Arbeiten am Stadthausgeviert gehen weiter, der Bau des Werkhofs SH Power soll endlich losgehen, genau­so wie der Werkhof Grün Schaffhausen.

Das klingt nach sehr viel Arbeit.

Es ist eine grosse Herausforderung für die städtischen Mitarbeitenden. Wir stossen an die Grenzen der personellen Ressourcen.

Sie sagten vor einigen Wochen in einer Sitzung des Grossen Stadtrats, der städtische Personaldienst sei nicht nur schlank, sondern magersüchtig aufgestellt.

Das ist so. Gerade im Personaldienst hatten wir viele Krankheitsausfälle und Abgänge. Zum Glück hat das Parlament dem Budget mit einer Aufstockung von zwei Stellen zugestimmt.

Was ist mit den anderen Bereichen?

Es gibt viele Bereiche, die uns beschäftigen. Fachkräfte für den Pflegebereich, für die Lehrberufe, den Baubereich oder auch SH Power zu finden, gestaltet sich sehr schwierig. Zum einen befinden wir uns an der Randlage der Schweiz, zum anderen haben wir zum Teil keine konkurrenzfähigen Löhne. Markant ist Letzteres vor allem in der Pflege und bei den Lehrpersonen.

Was wird die Stadt dagegen tun?

Was die Pflegeberufe anbelangt, haben Sozial- und Sicherheitsreferentin Christine Thommen und ich eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen. Sie wird uns dieses Jahr Vorschläge machen, wie wir die Arbeitsbedingungen in den Gesundheitsberufen verbessern können. Wir hoffen, dass der Kanton beim Thema Lohn endlich vorwärtsmacht. In Feuerthalen verdient man als Lehrperson monatlich etwa 1000 Franken mehr. Es darf schon einen kantonalen Unterschied geben, zu gross darf er aber nicht sein. Natürlich wird das kosten. Aber wenn wir in Zukunft keine guten Fachpersonen mehr finden, wird die Qualität der Volksschule und der Betreuung in der Pflege leiden.

Gerade auch in diesen beiden Bereichen Pflege und Schule ging es aufgrund der Pandemie zuweilen chaotisch oder kompliziert zu und her. Wie geht es der Stadt nach diesem zweiten Pandemiejahr?

Es ist schwierig, weil wir alle nicht wissen, wann es vorbei sein wird. Das Anspruchsvolle ist das Aufrechterhalten der Dienste. Der ungünstigste Fall wäre, wenn viele Mitarbeitende im gleichen ­Bereich zur selben Zeit krank würden. Zum Beispiel viele Chauffeure der Verkehrsbetriebe, viele Mitarbeitende der Gas-/Strom-/Wasserversorgung, der Kinderbetreuung oder Schule. Das müssen wir verhindern. Wo es geht, sind die Mitarbeitenden im ­Homeoffice. Ausserdem habe ich in meinem Weihnachtsgruss an die Mitarbeitenden nochmals einen Impfaufruf gemacht.

Neben Corona haben 2021 auch spannende Abstimmungen in der Stadt beschäftigt. Die Planung des Duraducts und das Restaurant am Rhein wurden abgelehnt. Wie geht es mit diesen Ideen weiter?

Beim Duraduct musste man die Ablehnung fast erwarten. Die Idee war gut, aber sie war nicht optimal aufgegleist, und darunter hat sie bis zum Schluss gelitten. Viele haben für die Idee gekämpft, dann ist solch ein Ergebnis schon eine Enttäuschung. Die Probleme, die wir mit der Fussgänger- und Velobrücke lösen wollten, sind nun nicht gelöst. Dieses Jahr gibt es einen runden Tisch mit den Parteien und Verkehrsverbänden. Wir wollen diskutieren, wie es weitergehen soll, ob man ein Brückenprojekt weiterverfolgen oder einen völlig neuen Weg suchen soll. Eine Lösung für die gefährliche Steigstrasse zum Beispiel muss dringend her.

Die temporären Gastroangebote haben letzten Sommer gezeigt, wie eine Aufwertung aussehen könnte. Es soll nun einen Studienwettbewerb geben, wie das Rheinufer Ost gesamthaft entwickelt werden könnte, sei das mit oder ohne Verlegung der Rheinhaldenstrasse. Die Ideen, die sich ergeben, sollen in den politischen Prozess miteingebracht werden.

Am Rheinufer gab es letztes Jahr auch Probleme: Lärm und Abfall.

Das hing aber nicht unbedingt mit den temporären Angeboten zusammen, sondern mit den Menschengruppen, die sich wegen der geschlossenen Lokale mit ihren Musikboxen und einem Sixpack Bier zum Lindli aufmachten. Die Lärmemissionen und das Littering waren teilweise schon grenzwertig.

Was heisst das für die geplante Attraktivierung des Rheinufers?

Die Anwohner haben zwar gelitten, aber viele haben auch gemerkt, wie ­attraktiv das Lindli als Naherholungsraum ist. Wenn die Pandemie vorbei ist, wird sich die Situation in den Sommernächten entspannen. Eine Attraktivierung ist mehrheitsfähig, die Anliegen der Anwohnerinnen und Anwohner müssen jedoch ernst ­genommen werden. Beiden Seiten gerecht zu werden, wird schon ein Spagat. Aber wir wollen weiterhin in die Attraktivität der Stadt investieren, das ist der Leitgedanke der Legislatur 2021 bis 2024.

«Wenn es der Stadt nicht gut geht, geht es auch dem Land nicht gut und umgekehrt.»

Peter Neukomm zum Stadt-Land-Graben

In die neue Legislatur ist der Stadtrat in einer neuen Zusammensetzung gestartet. Wie ist die Dynamik im Team?

Eine neue Person bringt immer neue Denkweisen ein. Christine Thommen tut dem Stadtrat gut. Sie ist positiv, lebensfroh, lacht viel. Sie hat sich gut ins Team eingefügt. Stark gefordert war sie von Anfang an mit Themen wie der Sicherheit auf dem Munot, den Alterszentren, den Bewilligungen für Coronademos oder für Stände im ­öffentlichen Raum während der Pandemie. Es ist schön, dass wir zwei Frauen im Stadtrat haben, das löst eine gute Dynamik aus.

Mit Christine Thommen haben Sie ein SP-Gspänli im Stadtrat bekommen. Hat sich dadurch etwas verändert?

Natürlich haben Christine Thommen und ich eine ähnliche Wertehaltung. Aber die Partei sollte in der Exekutive keine grosse Rolle spielen. Es ist wichtiger, dass wir als Personen gut funktionieren, dass ein gewisses Vertrauen da ist. Es ist kein Geheimnis, dass wir politisch nicht alle gleich ticken. Aber wenn es um die Interessen der Stadt geht, sind wir meist gleicher Meinung und können etwas ­bewegen. Wir haben viel erreicht und haben noch viel vor.

Wie wichtig ist das Verhältnis der Stadt zum Land? Der Stadt-Land-Graben ist immer wieder Thema, auch national.

Stadt und Land profitieren voneinander. Wenn es der Stadt nicht gut geht, geht es auch dem Land nicht gut und umgekehrt. Wir sind ein Kanton. Das Zentrum ist fast die Hälfte des Kantons, umso wichtiger, dass die zwei Hälften harmonieren. Ich bin selbst vom Land, bin Hallauer Bürger und zum Teil in Löhningen aufgewachsen. Ich verstehe die Anliegen des Lands gut.

Sie spielen auf die Debatte um das Busdepot im Schleitheim an?

Ich verstehe, dass die Schleitheimer es nicht lustig finden, wenn ihr Depot wegkommen soll. Es ist aber falsch, die Stadt und das Land mit ihren gegensätzlichen Anliegen gegeneinander auszuspielen. Wenn die Verkehrs­betriebe zum Schluss kommen, dass es günstiger und besser für sie ist, wenn sie ein zentrales Depot haben, dann ist das nicht gegen das Land gerichtet. Wenn es dem Kanton wichtig ist, das Depot in Schleitheim zu halten, dann muss er als Besteller der Leistungen die finanziellen Konsequenzen tragen. Regionalpolitik ist nicht Aufgabe der Stadt. Das ist ein emotionales Thema.

Und es ist nicht das einzige: Das Lädeli­sterben ist auch so eines. Gedenkt die Stadt, etwas dagegen zu tun?

Wir hatten im Stadtrat 2020 einen Workshop zu diesem Thema ­gemacht, aber Corona hat das ein wenig ausgebremst. Diesen Frühling wollen wir einen neuen Anlauf nehmen. Die ­Situation ist jedenfalls nicht besser ­geworden. Der Onlinehandel hat in der Pandemie zugenommen, und die Ladenmieten sind nicht gesunken.

Ein weiterer Punkt auf der Pendenzenliste 2022 der Stadt. Was wird dieses Jahr noch wichtig – und worauf freuen Sie sich?

Auf das 29. Bachfest und das «Stars in Town», die hoffentlich stattfinden können. Spannend wird auch der Ausbau der Wärmeverbünde. Freuen würde mich, wenn wir das Familienzen­trum in ein Definitivum überführen könnten. Es ist ein Erfolgsmodell, das auch andere Städte nachahmen möchten. Was auch ansteht, ist die Erneuerung der städtischen Website. Das jetzige Design ist steinzeitlich. (lacht) Was uns noch beschäftigen wird, ist die Klimastrategie, ausserdem setze ich grosse Hoffnungen in die Einführung der Schulleitungen. Wir sind praktisch die einzige Stadt, die keine hat. Aber junge Lehrpersonen wollen Schulleitungen.

Zur Person

Peter Neukomm (SP) ist seit Januar 2015 Stadtpräsident von Schaffhausen. Mitglied der Schaffhauser Stadtregierung ist er bereits seit 2009 – bis 2014 als ­Finanz- und Personal­referent. Von 1993 bis 2008 war er Mitglied des Grossen Stadtrates, den er 2001 präsidierte. Seit 2013 ist Neukomm zudem Mitglied des Schaffhauser Kantonsrats. Der Jurist ist 59 Jahre alt, verheiratet und hat drei Kinder.